Bei Süßkirschen auf Qualität setzen
Familienbetrieb Kotulla – Jede Generation setzt ihre Schwerpunkte
Der Obsthof Kotulla ist ein typischer Familienbetrieb vor den Toren von Hamburg, der sich allerdings erst seit drei Generation gewerbsmäßig mit dem Anbau von Obst beschäftigt. Dies ist im traditionsträchtigen Alten Land eher ungewöhnlich. Das kleine Straßendorf Francop, wo die Kotullas ihren Betrieb haben, weiß allerdings seit jeher die Nähe zur Metropole Hamburg für seine Geschäfte hervorragend zu nutzen. Bernd Kotulla (58 Jahre) hat den Betrieb, der im Nebenerwerb geführt wurde, von seinem Vater, Schlossermeister Gerhard Kotulla, übernommen. In den 1970ern war klar, dass auch der Sohn einen Beruf erlernen musste, denn die 3 bis 4 ha Land allein konnten die Familie nicht ernähren. Bernd Kotulla lernte Maschinenbau, arbeitete als Flugzeugtechniker und war dann über 20 Jahre bei Philipps in der Chiptechnik tätig.
Vom Nebenerwerb zum Vollerwerb
Seine Frau Ortilia fuhr damals schon regelmäßig zum Wochenmarkt und vermarktete hier höchst erfolgreich das eigene Obst. Der Erfolg war natürlich ein Segen, forderte aber auch Entscheidungen heraus. Als sich Mitte der 1990er Jahre die Gelegenheit bot, einen Hof mit 13 ha dazu zu pachten und sich beruflich auf den Obstbau zu konzentrieren, griff das Ehepaar zu. „Ich wurde Vollerwerbslandwirt mit allen Risiken und viel Verantwortung. Die Entscheidung habe ich allerdings nie bereut“, erklärt Bernd Kotulla. Die ersten Jahre waren jedoch schwer. Kotulla arbeitete zu Beginn noch einige Jahre mit verkürzter Arbeitszeit im Wochenendschichtdienst und führte in der Woche seinen Obsthof. „Das bedeutete sieben Tage die Woche Arbeit. Das zehrte natürlich gewaltig an den Kräften“, gibt Kotulla zu.
Besonders erfreulich war es für den Obstbauern, als sein Sohn Jon direkt nach dem Abschluss der Schule in die Fußstapfen des Vaters trat und eine Lehre als Gärtner mit Fachrichtung Obstbau begann. Heute hat der 33-Jährige seinen Meisterbrief in der Tasche. Seine Ehefrau Carolin ist promovierte Biochemikerin und arbeitet nicht mit auf dem Betrieb.
Jedem das, wofür sein Herz schlägt
Bei den Kotullas geht es recht offen zu. Jeder der drei Familienmitglieder hat seinen eigenen Arbeitsbereich, für den es verantwortlich ist und für den es entscheiden kann. Der Wochenmarkt mit acht Verkäufern ist und bleibt die Leidenschaft der Seniorchefin und des Seniorchefs. Der Obstanbau, der Sortierbetrieb für die Kirschen und das Geschäft mit dem Handelsunternehmen SanLucar, ist die Herzenssache des Juniors Jon.
„Wir sind kontinuierlich gewachsen und haben unsere Produktpalette stets auf die wandelnden Bedürfnisse des Wochenmarktes ausgerichtet“, so Bernd Kotulla. Heute bewirtschaften die Kotullas 31 ha, davon 16 ha Äpfel, 11 ha Süßkirschen und je ca. 1 ha Birnen, Pflaumen, Sauerkirschen sowie Johannisbeeren. Im Apfelanbau konzentrieren sich Vater und Sohn auf die Sorten `Elstar´ (40 %) und die japanische Sorte `Fuji´ (20 %). „Wir bauen `Fuji´ schon seit 20 Jahren an, obwohl diese Sorte eher im wärmeren Süden zu finden ist. Aber diese süße, knackige Sorte, die man auch noch lagern kann, wird man gerade in der Direktvermarktung immer los“, erläutert Kotulla. Weitere Sorten sind aus der `Jonagold´-Gruppe (30 %) sowie die Sorten `Delbar´, `Boskoop´ und andere.
Mit der Kirsche in die Zukunft
Der Produktionsschwerpunkt liegt seit einigen Jahren nicht auf Äpfeln – wie im Alten Land oft üblich –, sondern auf Kirschen. „Mein Vater hat erst 1985/1986 mit Süßkirschen angefangen“, erzählt Jon Kotulla, „die Kirsche ist eine tolle Frucht und im Laufe der Jahre habe ich mich sehr darauf konzentriert.“ Für den Wochenmarkt werden natürlich frühe und späte Sorten angebaut. Das Sortenspektrum ist weit: `Earlise´, `Bellise´, `Carmen´, `Satin´. Hauptsorten sind `Kordia´, `Regina´ und `Skeena´. „Da wir gerne einmal etwas ausprobieren, machen wir eben auch schlechte Erfahrungen“, räumt Jon Kotulla mit einem Augenzwinkern ein. So würde der junge Gärtnermeister die zu Beginn so vielversprechende Sorte `Skeena´ nicht mehr anbauen, da sie im Eiswasser zu gerne platzt. In den ersten Jahren haben die Kotullas - wie viele andere Kirschanbauer auch - die Kirschsorte eher nach der Fruchtgröße ausgewählt. Heute ist Jon Kotulla auf einem anderen Weg. Der Geschmack sei viel zu lange vernachlässigt worden, stellt der Experte fest. Geschmacklich gute Kirschsorten seien `Kordia´ und `Regina´, aber auch die mittelfrühe Sorte `Techlovan´ oder `Sumbola´, die beide sehr fest sind und auch geschmacklich überzeugen.
„Hier in Norddeutschland ist der Kirschanbau nicht unproblematisch. Wir arbeiten in einer Frühlage und bekommen stets Probleme mit dem Frost. Zudem muss man bei uns im Norden immer mit heftigen Stürmen und längeren sommerlichen Regenperioden rechnen“, erläutert der Junior. Deshalb führe an einer Überdachung kein Weg vorbei. Schon zur Blüte werden die Dächer aufgezogen, um bei Frost eine Unterkronenberegnung zu ersetzen. „Das gibt uns einen Puffer von fast 4 °C, um unsere Anlagen zu schützen“, rechnet Kotulla vor. 85 % der Kirschflächen haben die Kotullas schon überdacht und in zwei Jahren sollen es 100 % sein.
Da ist noch Luft drin
„Auf dem Kirschmarkt ist durchaus noch Luft. Deutsche Kirschen von hoher Qualität haben einen sicheren Absatz und gute Preise“, ist sich der junge Mann sicher. Selbst für den Export sieht er gute Chancen. Wichtig sei dabei vor allem, in der Lage zu sein, ausreichende Mengen bei gleichbleibend hoher Qualität zu liefern. Gerade im Hinblick auf die Vermarktung sei deshalb eine Überdachung für den Kirschanbauer unumgänglich, da diese ab der Blüte eine sichere Voraussage der Erntemenge möglich mache und Qualität sicherstelle.
Auf Qualität setzen
Die Handelsorganisation SanLucar mit Hauptsitz in Valencia ist für Jon Kotulla genau der richtige Partner. Das von einem Deutschen geführte Unternehmen sucht weltweit Obst- und Gemüseanbauer, die zusichern können, absolute Premiumware zu liefern. Die Früchte landen ausschließlich in hochpreisigen, gut sortierten und gepflegten Theken. Das ist Jon Kotullas Weg: „Wir machen keine Werbung für die tolle Frucht Kirsche in den Discountern, wo die Kirsche in überheizten Auslagen tagelang ohne Pflege herum liegt.“ Kotulla sieht seine Chancen eher auf Märkten, die Qualität verkaufen wollen. Zurzeit gehen 20 % der Kirschen auf dem Wochenmarkt über die Theke, bereits 50 % über SanLucar und 30 % werden unter der Premium Eigenmarke „Kotulla Kirsche“ an den Großmarkt und Großhändler geliefert.
Das Wochenmarktgeschäft, obwohl so erfolgreich, gehört allerdings zum Bedauern seiner Eltern nicht zu seinen Steckenpferden. Der Senior Bernd Kotulla lässt seinem Sohn hier aber freie Hand, seine eigene Zukunft zu gestalten und hat deshalb die Entscheidung für die Kirsche stets unterstützt. Allerdings macht er keinen Hehl daraus, seinem Nachwuchs den erfolgreichen Wochenmarktverkauf immer wieder ans Herz zu legen.
Modernste Technik einsetzen
In der großen Verarbeitungshalle steht Jon Kotullas ganzer Stolz: Eine der EU-weit modernsten Sortieranlage für Kirschen der australischen Firma GP Graders. Diese Investition hat das Unternehmen einen satten sechsstelligen Betrag gekostet. Drei Kameras machen von jeder Kirsche je zehn Fotos, also insgesamt 30 Bilder, die der Computer nach zahlreichen Kriterien wie z.B. Größe, Farbe, Durchmesser, Stiel, Weichheit, defekte oder geplatzte Stellen auswertet. Bis 2 mm kann in die Kirsche hinein gemessen werden, um den Weichheitsgrad festzustellen. Die Leistung der Anlage liegt je nach Qualität der Kirschen zwischen 1 000 und 1 500 kg/Std. Das Wunderwerk der Technik ermöglicht eine Sortierung nach Qualität auf höchstem Niveau.
Die teure Anlage lohnt sich natürlich nur, wenn in der kurzen Saison auch für andere Kirschanbauer sortiert werden kann. Aber genau das ist auch der Plan von Jon Kotulla. Mit seinen Kontakten und seinen Ideen hofft er, in Zukunft nicht nur seine eigenen Kirschen vermarkten zu können.
Frische liefern und wenig lagern
Stündlich werden die geernteten Kirschen frisch vom Feld geholt und danach je nach Sorte im Eiswasser gekühlt und dann ins Kühlhaus gestellt. Spätestens am nächsten Tag bis 12 Uhr sind die verschiedenen Chargen gekühlt, sortiert und in den gewünschten Verpackungseinheiten verpackt. „Gelagert wird fast gar nicht, obwohl wir natürlich für alle Fälle die Möglichkeit dafür haben“, erläutert Jon Kotulla, „Wir wollen lieber frisch liefern.“ Wenn die Preise schlecht seien, könne man die Ware auch schon einmal ein paar Tage hängen lassen, wenn es nicht zu heiß sei. Lagerungsmöglichkeiten für vier Wochen in Spezialboxen im Großkistenformat von der Firma Cargo Plast mit französischem Patent und kontrollierter Atmosphäre reichen dem Kirschanbauern aus.
Bernd Kotulla und seine Frau wollen sich im kommenden Jahr etwas mehr aus dem Betrieb zurückziehen und ihrem unternehmungsfrohen Sohn das Heft in der Hand ein Stück mehr überlassen. Eine neue Generation geht eben eigene Wege. Diese Einstellung ist stets fruchtbar für den erfolgreichen Fortbestand eines Betriebes.
Josefine von Hollen