Hajo, des wisse mer doch, dass Monnem halt schee is
Vor ziemlich genau zehn Jahren stimmten die Mannheimer ab: Soll in ihrer Stadt die Bundesgartenschau 2023 stattfinden – ja oder nein? Klar war: Mannheim hatte mit mehr als 500 ha brachliegendes Gelände mehr oder weniger mitten in der Stadt ein wahrhaft großes Problem, das gleichzeitig ebenso unglaubliche Chancen bot. Riesige Flächen, ein spätes Erbe der US Army, konnten ein Grünzug, ein Naherholungsgebiet, eine Frischluftschneise, ein attraktives Wohnumfeld mit Gewerbe werden - der Phantasie waren kaum Grenzen gesetzt.
Eine Bundesgartenschau als „unterstützende Maßnahme“ käme da wie gerufen, dachte sich der Gemeinderat und stimmte im Februar 2013 einstimmig für die Bewerbung der Stadt. Basis war eine Machbarkeitsstudie, die in den eineinhalb Jahren zuvor gemeinsam mit Bürgern erarbeitet und im Oktober 2012 vorgestellt worden war. Die Bewerbung glückte. Doch plötzlich formierte sich Widerstand in der Bürgerschaft. Unzählige Artikel und Leserbriefe wurden geschrieben, Abgeordnete per Facebook, Email und Twitter mit Fragen gelöchert. Um Ruhe in die unruhevolle Dynamik zu bringen, beschloss der Gemeinderat, die Bürger selbst entscheiden zu lassen.
Die Befürworter der blühenden Landschaften erinnerten an die erfolgreiche Bundesgartenschau von 1975 und bekamen am Ende Recht. Dass eine Buga heutzutage keinesfalls mehr ein Selbstläufer ist, zeigt das Beispiel Rostock. Auch dort sollte die Bundesgartenschau der Booster für die Stadtentwicklung werden. In rund 70 Jahren Bundesgartenschau-Geschichte ist die 2025er Ostseeedition nun die erste Buga überhaupt, die abgesagt wurde. Nach einem etwas zähen: sie kommt, sie kommt nicht, sie kommt, sie kommt nicht, soll die letzte Abschlagszahlung der Hansestadt an die Deutschen Bundesgartenschaugesellschaft bei einer Viertelmillion Euro gelegen haben, womit Insidern zufolge die Stadt noch ganz gut weggekommen sein soll.
Auf die IGA 2027 Metropole Ruhr wird dann 2029 „Willkommen am Wasser“ im Oberen Mittelrheintal folgen. Ob dann zeitweise wieder mehr über schwarze Perücken, Kimonos, Sombreros und Ponchos als über das eigentliche Ereignis diskutiert wird, bleibt abzuwarten, stiehlt aber wie im Fall von Luisen- und Spinelli-Park dem eigentlichen Großereignis die Aufmerksamkeit. Es ist kein großes Geheimnis, dass die Quadratstadt Mannheim vielleicht nicht unbedingt Deutschlands schönste Metropole ist, gewinnt sie doch hauptsächlich durch das noch etwas tristere Ludwigshafen, verliert aber deutlich gegen das Neckar aufwärts gelegene Heidelberg.
Warum Mannheim eigentlich keine Schönheit sein kann, ist schnell erklärt: Die vom holländischen Festungsarchitekten Bartel Janson entworfene und ab 1606 gebaute Stadt war noch im Teenageralter, als Heerführer Tilly während des Dreißigjährigen Krieges die Mauern beschoss. Zuletzt ging fast die gesamte Innenstadt im Bombenhagel des Zweiten Weltkriegs unter. Vielleicht war das ein Grund, warum Mannheim lange Zeit eher touristisches Brachland war, in das sich höchstens Geschäftsreisende verirrten. Nun soll die Buga23 von Mitte April bis Mitte Oktober rund zwei Millionen Besucher in die Stadt bringen.
Marco Polo kürte im Oktober vergangenen Jahres Mannheim gar zum Top-Reiseziel für 2023. Buga klinge zwar „nach Reisebussen und Old-School-Blumenanstarren“, heißt es darin, doch die Schau triggere auch die Städtebau-Aktivität, neben dem Spinelli-Park zwei weitere Ergebnisse der Bemühungen: eine Seilbahn und eine nicht ganz plangerecht fertiggestellte Unterwasserwelt. Und so ist die Buga23 dann wie die Stadt selbst: der Kontrast zwischen barockem Luisenpark und zerfranster Vorstadtlandschaft auf dem Militärgelände zeigt in beeindruckender Weise die Spannweite des städtebaulich ästhetisch Möglichen.
Wem bei all dem eher Plakativen der intellektuelle Tiefgang fehlt, ist dann wiederum in der 1909 gegründeten Kunsthalle bestens aufgehoben. Dass alles mit allem zusammen hängt, ist schon lange kein Geheimnis mehr, wie eng die Vernetzungen sind und wie stark der Einfluss der Erderwärmung auf jede Facette des Lebens ist, untersucht die Ausstellung „1,5 Grad. Verflechtungen von Leben, Kosmos, Technik“. Und wer nun auch damit nichts anzufangen weiß: neben dem Fahrrad, dem Traktor, dem Auto, der Fernwärme wurde auch das Spaghetti-Eis in Mannheim erfunden – und das schmeckt nicht nur den paar Schnöseln, die in der einstigen Arbeiterstadt gelandet sind und meist BWL an einer in einem Barockschloss untergebrachten Universität studieren.
Tim Jacobsen