Hoffnung in Sicht? Wahrscheinlich nicht
So richtig Spaß macht das alles nicht mehr und da passt dann ganz gut zum allgemein trüben Stimmungsbild, dass der allerletzte Coronaschreck Höllenhund heißt. Zwar schreitet die Legalisierung von Marihuana mit Riesenschritten voran, ob das dann aber helfen wird, die Energiepreis-heiß-gelaufenen Gemüter zu kühlen, bleibt fraglich und so doppel-wummst Bazooka-Kanzler Scholz munter vor sich hin. Ähnlich wie beim Tankrabatt und dem Neuneuroticket geht die Bundesregierung irgendwie davon aus, dass wir irgendwann wieder eingelassen werden ins Energiepreisparadies.
Ist dann der Oktober eigentlich viel zu warm, stauen sich zwar die Schiffe an den LNG-Terminals und auf einmal sind die Erdgaspreise sogar negativ, aber die Krise noch lange nicht vorbei. Derweil wachsen die Schuldenberge und der Schatten, der auf zukünftige Generationen fällt, wird länger und länger.
Und sollten 20 °C plus Anfang November eigentlich Alarmsignal genug sein, braucht es Sekundenkleber, befahrene Straßen, Tomatensuppe, Kartoffelbrei und Gemäldegalerien, um auf das eigentliche Drama, das sich gar nicht so im Verborgenen abspielt, aufmerksam zu machen.
Ein Teil des Hamburger Hafens geht an China; auch Schröder wischte seinerzeit ministerielle Bedenken beiseite und trug wesentlich zur jetzigen misslichen Lage bei. Parteikollegin Esken löscht ihr Twitterprofil, da ihr die missliebige Kommentierung zu viel wurde. Noch einmal 192 100 Schuss Munition, zwei Überwasserdrohnen, vier Panzerhaubitzen und zwei Mehrfachraketenwerfer gingen in der vorletzten Oktoberwoche an die Ukraine und selbst wenn der Vergleich hinken mag: Im September 2022 wurden weltweit allein rund 192 700 Personenkraftwagen der Marke Mercedes-Benz verkauft, das macht mehr als 6 400 Autos am Tag.
An der Antwort auf die Frage, wie das nun alles weitergehen soll, zerbrechen sich gerade so einige den Kopf: Bundespräsident Steinmeier stimmte Deutschland zuletzt auf „raue Jahre“ ein, die Friedensdividende sei aufgebraucht – neben der unilateralen Abrüstung Deutschlands meinte er damit wahrscheinlich auch die Jahr für Jahr zuverlässig erzielten Exportrekordüberschüsse, die wir neben dem deutschen Ingenieursgeist vor allem auch Putins Billigenergie zu verdanken hatten.
Blenden wir einmal kurzfristige Effekte aus, die im Einzelfall tragische Schicksale mit sich bringen werden, gehen Agrarökonomen im Allgemeinen davon aus, dass der Einfluss des Krieges in der Ukraine auf das Wohl und Wehe der Landwirtschaft hierzulande überschaubar bleibt. Dies liegt vor allem daran, dass Agrarexporte weitgehend von den Sanktionen ausgenommen sind, der Welthandel also auch zukünftig Preisausschläge abpuffern wird und wir zudem kaum abhängig von ukrainischen Agrarexporten sind.
Ob die EU-Hilfsfonds über kurzfristige Entlastung hinaus auch mittelfristig Wirkung zeigen, ist derzeit noch nicht abschätzbar. Wissenschaftlich belegbar ist dagegen ein mittelfristiges Einpendeln der Energiepreise auf etwa 20 % über dem Preisniveau vor der russischen Ukraineinvasion. Und da gilt es dann doch einmal etwas genauer hinzuhören, schließlich steigen nicht nur die Diesel-, Benzin-, Gas- und Strompreise. Dünger, Agrarchemie und eigentlich auch so gut wie alles andere wird teurer.
Allerdings werden den Analysten zufolge auch die Preise für Agrarprodukte und Nahrungsmittel weiter steigen, was auf Produzentenseite zwar den Preisanstieg bei den Produktionsmitteln zumindest teilweise auffangen könnte, über die Preisinflation bei Nahrungsmitteln dann aber negative Effekte auf die Wirtschaftsdaten haben wird.
Spannend wird sein, zu sehen welche Auswirkungen die EU-weit wenig einheitlichen Energiepreisbremsen auf den Ernährungssektor und damit auch den Gartenbau in den jeweiligen Ländern haben werden. Die Niederländer beispielsweise haben zumindest bisher relativ konsequent den Kurs verfolgt, über Preissignale Anreize zum Energiesparen setzen und zum Umstieg auf alternative Energiequellen animieren zu wollen. Wie lange der frischgebackene Agrarminister dort dem steigenden Druck standhält, bleibt abzuwarten.
Verfahrener dann die Situation bei uns: So gut wie alle W-Fragen scheinen unbeantwortet, was die drei Wohltaten-und-Entlastungspakete der Bundesregierung in Bezug auf den Gartenbau angeht. Und selbst wenn das letztendlich eine andere Baustelle ist: Wenn Topfbasilikum im Gewächshaus subventioniert werden soll, warum dann nicht auch Schnittrosen unter Glas?
Unser etwas teilnahmslos wirkender Minister bleibt, wie zuletzt auch beim Zukunftskongress in Berlin, in seinen Aussagen mehr als nur vage. Vermutlich könnte Özdemir bei seinem grünen Amtskollegen auf dem kleinen Dienstweg einiges auch für den Gartenbau erreichen, vielleicht hat er aber auch nur die uns nachfolgenden Generationen im Blick und will Geld sparen - nur sagen sollte er es halt dann auch.
Tim Jacobsen
Zitat: „Stauen sich die Schiffe an den LNG-Terminals, sind zwar auf einmal die Erdgaspreise sogar negativ, aber die Krise noch lange nicht vorbei.“