11.03.2014

Neues Versuchsgewächshaus eingeweiht

LVG Hannover-Ahlem

von Sylvia Frevert

Nach nur einem Jahr Bauzeit wurde Mitte Januar im Rahmen des Betriebsleitertages Produktion das neue Niedrigenergie-Gewächshaus auf dem Gelände der Lehr- und Versuchsanstalt für Gartenbau in Hannover-Ahlem eingeweiht. Tenor aller Festreden war die Zukunftssicherung des Standortes und die enge Vernetzung von Wissenschaft und Praxis.

130 Besucher, darunter Betriebsleiter aus dem produzierenden Gartenbau, Mitglieder bundesweiter Fachausschüsse, Vertreter öffentlicher Einrichtungen sowie der sieben norddeutschen Kooperationspartner der Ahlemer Versuchsanstalt, waren gekommen, um den Erweiterungsbau des ZINEG-Gewächshauses einzuweihen.

Knapp 1 600 m² Versuchsfläche unter Glas bietet das neue Versuchsgewächshaus. Es ist eingeteilt in elf Abteilungen, die einzeln regelbar sind. 1,8 Mio. € kostete der Neubau. 60 % dieser Investitionssumme finanzierte der Bauherr, die Landwirtschaftskammer Niedersachsen. Die restlichen 40 % waren Fördermittel.

Um Kosten zu sparen setzte die Landwirtschaftskammer auf Standardsysteme – so ist die Glas-Außenhülle ein Standardgewächshaus, das mit entsprechenden Einbauten in ein Niedrig-Energiehaus umgewandelt wurde. Lediglich die rund fünf Meter hohen Stehwände sind aus Iso-Glas. Die komplette Dacheindeckung ist in Einfachverglasung gehalten. Drei Energie-Schirme sorgen dafür, dass bis zu 60 % Energie eingespart werden können.

Vier der elf Abteilungen wurden mit mobilen Pflanztischen versehen, weitere vier mit Grundbeeten. Neben den Abteilungen für Versuche an Topf- und Beetpflanzen entstanden ein Logistikraum und ein Meisterbüro. Ein Gärtnermeister, Schwerpunkt Zierpflanzenbau, wird eingestellt.

Sechs große Gewerke waren beim Neubau des ZINEG-Gewächshauses zu vergeben. Die Unternehmen stellten sich am Eröffnungstag im Rahmen einer kleinen Hausmesse vor.

Erfahrungen mit ZINEG-Gewächshaus

Im Anschluss an die Einweihung des Erweiterungsbaus referierten Dr. Dirk Ludolph und Melanie Horscht, LVG Hannover-Ahlem, über die Erfahrungen der letzten fünf Jahren mit dem bereits bestehenden ZINEG-Gewächshaus. Dieses ist mit 960 m² Fläche, verteilt auf zwei Abteilungen und mit einer Doppel-ISO-Verglasung im Dach etwas anders errichtet worden. Identisch sind die drei Energieschirme, die unterhalb des Daches ausgefahren werden können. „Unser Ziel war eine 90 %ige Einsparung an fossiler Heizenergie und CO2-Emissionen“, so Dr. Ludolph.

Beheizt wird das Gewächshaus per Solarenergienutzung plus Fernwärme in den Wintermonaten. Wärmepumpe, Wärmetauscher und große Wasser-Pufferspeichertanks machen das Haus zum Solarsammelhaus. Als besonders energieeffizient hat sich das Energieschirm-System erwiesen. Der Tagesschirm sorgt für 20 % Schattierung und Energieeinsparung, der Energieschirm für 50 % und der als seitlicher Rollschirm installierte Verdunklungsschirm für 75 % Energieeinsparung.

Die spannende Frage, ob durch die Verdunkelung und das geschlossene System, das zu höherer Luftfeuchtigkeit führt, Pflanzenkrankheiten ansteigen, kann verneint werden.

Kulturversuche an Pelargonien, Streptocarpus, Gerbera und weiteren der meistverkauften Zimmer- und Beetpflanzen lassen nach fünf Jahren folgendes Fazit zu:

-        Die Wärmeisolierung eines ZINEG-Gewächshauses ist sehr gut mit einem niedrigen Heizenergieverbrauch

-        Die Solarwärmenutzung kann mehrere Monate im Jahr die fossile Heizenergie bis zu 100 % ersetzen

-        Beim Pflanzenwachstum kommt es zu guten Qualitäten; Kulturzeitverzögerungen wurden nicht festgestellt

Herausforderungen in der Praxis sind derzeit noch die effiziente Schirmsteuerung, die Luftentfeuchtung und Langzeitspeichersysteme für Solarenergie.

Zusammenfassend erklärte Dr. Ludolph: „Es ist möglich, viel Energie einzusparen und eine gute Pflanzenqualität zu erhalten“. Empfehlenswert sei der Betrieb eines Niedrigenergie-Gewächshauses vor allem für Jungpflanzenbetriebe und Betriebe mit intensiver Topfpflanzenproduktion mit Temperaturen über 16 °C. „Wir müssen weg vom Unisono-Gewächshaus und ‚back to the roots‘, d.h. unterschiedliche Gewächshaussysteme für unterschiedliche Ansprüche“, betonte Dr. Ludolph. Außerdem sei ein intelligentes Energie-Management mit unterschiedlichen Heizsystemen empfehlenswert.

Betriebsleitertag Produktion

Zukunft – dieses Stichwort zog sich wie ein roter Faden durch den Betriebsleitertag Produktion, der von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen in der Lehr- und Versuchsanstalt für Gartenbau in Hannover-Ahlem im Januar veranstaltet wurde. Bereits der erste Referent des Tages, Prof. Dr. Bernhard Beßler, Geschäftsbereichsleiter Gartenbau der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, sprach zum Thema „Die Weichen der Zukunft“ und kam zu dem ebenfalls im Titel zusammengefassten Ergebnis „… stellt man am besten selbst“.

Fakt ist, so Prof. Beßler, dass die Anzahl der Gartenbaubetriebe geringer, die Fläche einzelner Betriebe jedoch größer werde. Wachsen oder weichen – ähnlich der Landwirtschaft. Mit knapp 700 000 Beschäftigten und jährlich rund 17 000 Ausbildungsplätzen und derzeit gut 53 000 Betrieben sei der Gartenbau „umsatz- und finanzstark“.

Prof. Beßler nannte acht wichtige Rahmenbedingungen für den Gartenbau im Markt – vom demographischen Wandel mit Hauptkunden im Alter jenseits der 50 und „nicht nachwachsend“ bis hin zum technischen Fortschritt, wo der Fachkräftemangel zu Buche schlage und der legendäre Satz gelte: „Im Gartenbau brauchen wir große Tanker ebenso wie kleine Schnellboote“. Damit haben Kleinbetriebe, die schnell auf Kundennachfragen reagieren können, ebenso ihre Berechtigung wie Großbetriebe.

Prof. Beßler nannte drei Zukunftsstrategien für den Gartenbau:

-        Die Lebensqualitätsstrategie, die er immer noch in dem berühmten Werbeslogan „Ohne Blumen fehlt dir was“ gut repräsentiert sieht

-        Die Inwertsetzungsstrategie, die dem Kunden mit Flyern oder Hinweisschildern am Produkt deutlich macht, wie viel Arbeit in der Kultivierung der beispielsweise Nordmann-Tanne steckt, dass Grün ein Kulturgut ist, wozu auch eine lebendige Friedhofskultur gehört

-        Die Effizienzsteigerungsstrategie, zu der eine Absatzprofessionalisierung und die Akquise von Fachkräften gehören. Neu hier: die Stelle eines Ausbildungs-Akquisiteurs in der Landwirtschaftskammer Niedersachsen

Die Zukunft des Torfs

Zum Thema „Torf in Niedersachsen – wie sieht seine Zukunft aus?“ referierte Michael Emmel, LVG Hannover-Ahlem. Seit mehr als 30 Jahren sei die Lehr- und Versuchsanstalt auf der Suche nach Torfersatzstoffen. Der Ausblick auf die Zukunft im Torfabbau sieht düster aus. Während heute noch 7 Mio. m³ Torf jährlich gewonnen werden, ist das Ziel für das Jahr 2037 eine Abbaumenge unter 1 Mio. m³. Emmel: „Geplant ist ein Rückbau der Abbauflächen auf unter 1 000 ha bundesweit“.

Ein kurzer Abriss der Geschichte des Torfabbaus zeigt den Wandeln der Interessen. Aus dem Jahr 1765 stammt das erste Edikt, das seinerzeit Friedrich der Große aufsetzte mit dem Ziel der Urbarmachung von Land. 250 Jahre später setzen mit dem Moorschutzgesetz von 1913 die ersten Schutzmaßnahmen ein. 2014 werden in Niedersachsen Vorrangflächen für den Torfabbau deutlich reduziert; die Niederlande führten mit dem Biodiversity Policy Plan eine Art Torf-Umwelt-Gütesiegel ein; die Schweiz überlegt gar ein komplettes Einfuhrverbot für Torf.

Es werde Zeit, über Alternativen zum Torf nachzudenken. Nicht nur der Landschaftsschutz, sondern auch die Klimabilanz aufgrund der CO2-Emissionen mache die Suche nach Ersatz notwendig. Den größten Handlungsbedarf sieht der Referent in den Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen, die zusammen gerechnet knapp 50 % Anteil an den gesamtdeutschen CO2-Emisionen im Torfabbau haben.

Emmel unterstrich: „Es ist nicht unmöglich, heute schon auf Torf im Gartenbau zu verzichten“. Ersatzstoffe seien Grünkompost, Rinde, Kokosmark, Holzfaser. Interessant war die Antwort auf die Frage „Ist Torf fossil und damit endlich oder ein nachwachsender Rohstoff?“. Dazu Emmel: „Weltweit wächst mehr Torf nach als abgebaut wird“. Es ist möglich, Torfmoos auf Paludikultur zu züchten. Paludikultur ist die landwirtschaftliche Nutzung feuchter Hoch- und Niedermoorflächen. „Das ist dann keine Re-Naturierung, aber Rohstoffgewinnung. So wird Torf fast zum nachwachsenden Rohstoff“.

Die Zukunft des Torfabbaus in Niedersachsen sieht Emmel kritisch: „Der Abbau wird schwieriger, ist aber im Prinzip genehmigungsfähig“. Als Folge erschwerter Bedingungen sei eine Zunahme importierter Torfe auf dem deutschen Markt sowie die Abwanderung von Substratfirmen in beispielsweise baltische Länder zu befürchten.

Hemmstoffe in B&B

Den Abschlussvortrag zum Thema „Beet- und Balkonpflanzen: Ohne Hemmstoffe geht es meistens nicht!“ hielt der Referent mit der weitesten Anreise, Frank Korting vom Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) Rheinland-Pfalz.

Im Mittelpunkt seines Vortrags standen die Versuchsergebnisse an einem breiten Sortiment von Beet- und Balkonpflanzen mit unterschiedlichen Tankmischungen. Die Zukunft hatte auch Korting im Blick mit seiner Konzentration auf das Mittel Carax, das – derzeit für Raps zugelassen - laut Hersteller BASF in Kürze auch für den Gartenbau zur Verfügung stehen soll.
In den Versuchen mit Margeriten, Petunien, Diascia und Nemsien zeigte sich das neue Mittel als in erster Linie sparsam in der Anwendung. „Carax enthält ein Netzmittel, das selbst bei geringer Ausbringungsmenge zu guter Verteilung und Aufnahme führt“, erläuterte Korting. Hinzu komme eine gute Verträglichkeit. Der bereits jetzt abzusehende Nachteil: Carax werde vermutlich nur für eine Anwendung pro Kultur genehmigt. Kortings Fazit lautete: „Ein Supermittel in Kombinationen oder als Zusatz in der Spritzfolge“.