08.04.2014

Niedrigenergie-Gewächshaus gebaut

Orchideen Dürbusch, Rheda-Wiedenbrück

von Sabine Aldenhoff

Als erster Praxisbetrieb in Deutschland hat das Familienunternehmen Orchideen Dürbusch jüngst in ein Niedrigenergie-Gewächshaus mit ZINEG-Technologie investiert. Für die Kultur von Paphiopedilum, auf die sich die Gärtnerei in Rheda-Wiedenbrück spezialisiert hat, sind die Bedingungen im neuen Gewächshaus ideal. Betriebsleiter Oliver Dürbusch ist so zufrieden mit seiner Entscheidung, dass er auch einen Erweiterungsbau in gleicher Weise mit Wärmeschutzglas eindecken lassen würde.

Dieses Wärmeschutzglas mit einem sehr guten Wärmeverbrauchskoeffizienten von 1,1-1,2 W/m²K (vergleiche altes Standard-Normhaus mit Einfachglas, ohne Energieschirm: 7,6 W/m²K) wurde bisher nicht in der gärtnerischen Praxis verwendet. In einem ZINEG-Teilprojekt an der Hochschule Osnabrück wurde diese Technologie der Wärmeschutzverglasung erprobt. Über einen Messekontakt mit der Gewächshausbaufirma Boal Systeme wurden Dürbuschs auf die neue Technologie aufmerksam und informierten sich daraufhin auch in Osnabrück.

Die Gärtnerei Dürbusch ist seit vier Generationen ein Familienunternehmen. Jahrelang konzentrierten die Orchideenspezialisten ihre Produktion auf Schnittblumen. Doch die Nachfrage änderte sich. Mitte der 90er Jahre begann die Familie deshalb, nach und nach auf Topforchideen umzustellen. Dabei selektierten sie von Anfang an die besonders großblumigen ihrer Paphiopedilum-Hybriden. Heute werden ausschließlich Frauenschuh-Orchideen in Töpfen produziert. Von der Züchtung bis zur Vermarktung haben Dürbuschs alles in der eigenen Hand. Mit ihrem besonderen Produkt haben sie sich weit über die Grenzen Deutschlands einen Namen gemacht. Fertigware wird über ein starkes Händlernetzwerk vertrieben, während Rohware in kleinen Mengen in alle Welt verschickt wird. Auch der eigene Laden am Stammbetrieb im Stadtgebiet erfreut sich weiterhin großer Beliebtheit und hat einen großen Einzugskreis. Dort werden die schicken Frauenschuh-Topforchideen sowie zugekaufte Phalaenopsis-Topfpflanzen in besonderen Farben angeboten.

Von der Kreuzung bis zur verkaufsfertigen Blüte vergehen bei der Paphiopedilum-Kultur sechs Jahre. Die besonderen Ansprüche dieser Pflanzen und ihre lange Kulturdauer sowie die Tatsache, dass sie nicht auf Termin produziert werden können, machen Frauenschuhe für die gärtnerische Massenproduktion uninteressant und sichern den Spezialisten ihre Nische.

Bei ihrer Züchtung legen die Dürbuschs vor allem Wert auf makellose große Blüten, runde Blütenformen, Wüchsigkeit der Pflanzen und sehr gute Haltbarkeit. Die Sorten ihrer Frauenschuhe können rötlich, grünlich-gelb oder gepunktet sein. Von der Kreuzung bis zur Kapselreife vergeht ein Jahr. Nach der Saatguternte wird im hauseigenen Labor im Januar auf einen speziellen Nährboden ausgesät. Im Mai und im September werden die Sämlinge jeweils auf einen neuen Nährboden umgesetzt. Im darauffolgenden Sommer, also eineinhalb Jahre nach der Aussaat, werden die Jungpflanzen erstmals in Orchideensubstrat getopft. Nun vergehen weitere eineinhalb Jahre bis die ersten Paphiopedilum-Pflanzen in Blüte kommen und in der Saison von November bis April verkauft werden können. Etwa ein Viertel der Pflanzen kommt in dieser Zeit noch gar nicht zur Blüte. Diese werden ein Jahr weiter kultiviert und sind dann so kräftig, dass sie zumeist mit zwei oder drei Stängeln verkauft werden können. Beim Endverbraucher bleiben die Frauenschuhe etwa acht bis zwölf Wochen in Blüte und können bei guter Pflege und regelmäßigem frisch Topfen auch immer wieder blühen.

Der Neubau und seine Eigenschaften

Der Stammbetrieb im Stadtgebiet von Rheda-Wiedenbrück hat 4 000 m² Gewächshausfläche. Da die Nachfrage nach ihren Produkten gestiegen ist, wollten die Dürbuschs ihre Produktionsfläche vergrößern. Am Stammbetrieb war aber keine Erweiterung möglich und so fiel der Beschluss, sich mit einem Zweigbetrieb außerhalb anzusiedeln. Wegen des hohen Heizbedarfs ihrer Kultur suchte die Familie die Nähe zu einem landwirtschaftlichen Betrieb, um von dessen Biogasanlage mit profitieren zu können. Leider fand sich kein geeigneter Partner im Umkreis. Also wurde weiter gesucht und nach Alternativen Ausschau gehalten. Schließlich konnten 4 ha Land betriebsnah vor den Toren der Stadt gekauft werden, allerdings ohne Biogas. Auf einer Messe kam der Kontakt zur Gewächshausbaufirma Boal Systeme zustande, die eine entsprechende Aluminium-Konstruktion anbietet, um Wärmeschutzisolierglas als Eindeckung zu verwenden.

Da bereits im Jahr 2012 mit dem Bauprojekt gestartet wurde, konnte dieses Vorhaben noch mit dem Energieeffizienzprogramm des Bundes gefördert werden (welches Ende 2012 ausgelaufen ist). Das Niedrigenergie-Gewächshaus im Venlotyp wurde mit einer Stehwandhöhe von 4,2 m auf 1 500 m² errichtet. Das Wärmeschutzglas, das rundherum verwendet wurde, ist ein Isolierglas aus zwei Scheiben von 4 mm Dicke und einer Argon-Füllung von 14 mm. Bisher wurden solche Scheiben nur im Hochbau, nicht aber in der gärtnerischen Praxis verwendet. Auch ein Energie-/Schattierschirm mit einer Energieeinsparwirkung von 40 %, der in der Heizperiode nachts immer geschlossen wird, wurde installiert. Wegen der guten Isolierung wurde mit einer Schneelast von 75 kg/m² kalkuliert. Die Inbetriebnahme des Neubaus erfolgt im Februar 2013.

So konnte Oliver Dürbusch zum Zeitpunkt des Pressetermins im Januar 2014 schon auf ein Jahr Kulturerfahrung im Niedrigenergie-Gewächshaus zurückblicken. Seine Paphiopedilum-Hybriden brauchen während der Blüte eine Heiztemperatur von 18 °C; ab 22 °C wird gelüftet. Die Beheizung erfolgt mit einem 400 kW Holzhackschnitzelkessel, wobei für die 1 500 m² auch 150 kW genügt hätten; hier ist direkt für die Zukunft gebaut worden. Ein zweiter Kessel für Notfälle läuft mit Kohle. Die Wärme wird über eine Untertisch-Rohrheizung im Gewächshaus verteilt. Eine obere Rohrheizung ist auch installiert, sie dient zurzeit vor allem als Transportschiene für den Monorail-Wagen und war bisher noch nicht im Betrieb, denn sie soll nur das Abtauen von Schnee gewährleisten.

Durch seine Dichtigkeit heizt sich das Niedrigenergie-Gewächshaus rascher auf als ein herkömmliches. Im Sommer unterstützt Schattierfarbe die Wirkung des Schattierschirms für die Pflanzen, die keine pralle Sonne mögen. Ein weiterer Effekt der Isolierung ist eine höhere Luftfeuchtigkeit im Gewächshaus. Für die Orchideenkultur ist dies kein Nachteil, es muss nur bei der Kultur berücksichtigt werden. Die Pflanzen verdunsten nicht so viel, das heißt sie brauchen auch nicht so viel Wasser. Deshalb hat Oliver Dürbusch im Niedrigenergie-Gewächshaus seine Bewässerungsdüngung angepasst und deren Konzentration um 10 % angehoben. Um die Pflanzen dennoch aktiv zu halten, sorgen Ventilatoren für Luftbewegung. Ein Nachteil ist, dass sich schneller Algen an den Scheiben bilden, wobei aber eine Reinigung pro Jahr ausreichend ist. Gegenüber den alten Gewächshäusern im Stammbetrieb können die Orchideengärtner im Neubau 75 % Heizenergie einsparen. Das Wärmeschutzisolierglas lässt allerdings nicht so viel Licht durch wie sonst im Gartenbau verwendete Eindeckgläser. Dies ist aber für die Frauenschuhkultur kein Nachteil, die Pflanzen wachsen in der Natur im Halbschatten von Bäumen. Angenehmer Nebeneffekt der dicken Scheiben: bei einem Hagelunwetter, bei dem im Stammbetrieb 800 Scheiben zu Bruch gingen, blieb am Niedrigenergie-Gewächshaus alles heil.

Gärtnermeister Oliver Dürbusch ist der Meinung, dass sich die Investition in ein Niedrigenergie-Gewächshaus nur für Kulturen lohnt, die viel Wärme brauchen und hochpreisig vermarktet werden können. Für seine Frauenschuh-Produktion sind die Bedingungen ideal. Mit den Qualitäten zeigt sich der Spezialist sehr zufrieden. Einen Erweiterungsbau würde die Familie wieder als Niedrigenergie-Gewächshaus bauen, auch wenn sie dann keinen staatlichen Zuschuss mehr bekämen.

Wie Dr. Wolfgang Graf vom KTBL, der das Verbundprojekt ZINEG betreut, mitteilt, besteht nach dem Auslaufen des Energieeffizienzprogramms aktuell die Möglichkeit der Förderung eines solchen Vorhabens durch die Landwirtschaftliche Rentenbank.