11.06.2024

Kommentar: "Risikoabsicherung nützt uns allen"

Tim Jacobsen: Die Zeiten von „1934 und dann erst 1974 ­wieder einmal ein zu warmer Winter“

Was helfen – 2018 lässt grüßen – Flächenausweitungen bei trocken- und hitzetoleranten Kulturen in Jahren mit Jahrhunderthochwassern wie diesem? Was helfen Zwischenfruchtanbau, konservierende Bodenbearbeitung, die Verbesserung der Wasserhaltefähigkeit des Bodens, effiziente Bewässerungs- und Frostschutztechnik und ausreichend dimensionierte Dränung, wenn es nicht darum geht, Anbaurisiken zu minimieren, sondern die Gefahr eines witterungsbedingten Erntetotalverlusts auszuräumen?

Vom Staat in „Katastrophenjahren“ bereitgestelltes Geld ist meist nur der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein; gleichzeitig sind die größten Profiteure oftmals diejenigen, die am wenigsten zur Risikovorsorge unternommen haben. Angesichts klammer Haushalte werden staatliche Ad-hoc-Hilfen zukünftig auch eher die Ausnahme als die Regel sein. Steuerfreie Risikoausgleichsrücklagen könnten helfen, durch magere Jahre zu kommen. In Neuseeland, Australien und Kanada sind sie gängige Praxis. Die von der Bundesregierung im Jahr 2016 beschlossene Gewinnglättungsregelung hinterließ dagegen kaum Spuren.

260 Jahre nach der Gründung des weltweit ersten Brandversicherungsvereins in den Elbmarschen begann die Mecklenburgische im Jahr 1797, Hagelversicherungen anzubieten, ein erster Schritt in Richtung bessere Absicherung von Flächen und Kulturen gegen witterungsbedingte Gefahren. Unsere Vorreiterrolle in der Risikovorsorge haben wir jedoch verloren:

Während fast alle EU-Staaten ihren Gärtnern und Landwirten einen Zuschuss zu den Prämien für Versicherungen gegen Dürre, Starkregen, Sturm oder Frost zahlen, wird eine solche Förderung in der Bundesrepublik nicht flächendeckend angeboten. Knapp zwei Drittel Prämienzuschuss sollen es in Frankreich und Polen sein.
Auch in den Benelux-Staaten, Italien, Spanien und Portugal sowie weiteren mittel- und osteuropäischen Ländern wird die Risikoabsicherung stark alimentiert. Dementsprechend stark nachgefragt ist dieses Instrument des Risikomanagements dann auch in diesen Ländern.

Bereits 2019 forderte die Agrarministerkonferenz „einen Prämienzuschuss insbesondere für Sektoren und Risiken vorzusehen, in denen noch kein für die Betriebe wirtschaftlich tragbares Versicherungsangebot am Markt ist oder große Wettbewerbsunterschiede innerhalb der EU bestehen“.

Obwohl die Gemeinsame Agrarpolitik eine Förderung von Mehrgefahrenversicherungen ausdrücklich vorsieht, entstand statt eines großen nationalen Wurfes ein kleinstaatlicher Flickenteppich an Fördertatbeständen. Dabei wäre der finanzielle Aufwand für eine bundesweite Lösung überschaubar:

Die Kosten für eine um die Hälfte bezuschusste Mehrgefahrenversicherung für Ackerkulturen soll bei einem kleinen dreistelligen Millionenbetrag liegen. Klingt nach viel Geld, gerade auch in Zeiten, in denen der Bundeshaushalt ein großes Streitthema ist. Dabei geht es dem Fiskus gar nicht so schlecht.

Die Steuereinnahmen steigen immer weiter, schneller sogar als die Preise und auch schneller als das, was Deutschland erwirtschaftet. Allerdings ist das Ganze dann ein bisschen „wie gewonnen, so zerronnen“: die maroden Schienen der Bahn, unsere fehlende Kriegstüchtigkeit, die auf Subventionen beruhende Energiewende und dann natürlich die Schuldenlast, die sich in Zeiten steigender Zinsen verstärkt bemerkbar macht – und schon fehlen 25 Mrd. €.

Die viel zitierten Radwege in Peru werden den Haushalt dabei genau so wenig retten wie Kürzungen bei der Bundeszentrale für politische Bildung. Rund 130 Mrd. € kostet es uns, dass Menschen Renten bekommen, ohne selbst eingezahlt zu haben. Das Bürgergeld liegt mit allem, was dazu gehört, bei rund 40 Mrd. €. Richtig viel Geld also.

Verständlich aber auch, dass schon die Erwähnung des K-Wortes Menschen auf die Barrikaden bringt. Wie aber weiter? Die Vermögenssteuer, den Spitzensteuersatz, die Einkommenssteuer oder doch lieber die Mehrwertsteuer erhöhen? Es gäbe noch einen anderen Weg: Was, wenn wir, statt Abgaben zu erhöhen, doch einfach wieder die Wirtschaft in Gang brächten?

Man mag über die Merkeljahre denken, wie man will. Den ersten ausgeglichenen Haushalt seit 1969 im Jahr 2014 haben wir Wolfgang Schäubles Mutter, einer „schwäbischen Hausfrau“ zu verdanken. Ich bin mir sicher, dass Gertrud Schäuble im Sinne ihrer kolportierten Vorstellungen zur Führung solider Privathaushalte, die unter Finanzminister Schäuble dann Staatsräson wurden, für eine einheitlich flächendeckende Bezuschussung einer Risikoabsicherung zur Zukunftssicherung unserer Betriebe plädiert hätte. Fördern und Fordern einmal anders.

Tim Jacobsen

(Artikel aus GP 06/24)