11.04.2024

Herausforderung Schnittblumenkultur

Mit besonderen Farben und Formen hebt sich das Gerbera-Sortiment von Schmitz Gartenbau vom Markt ab
Foto: Aldenhoff

Vor gut einem Jahr war Ralf Schmitz noch zuversichtlich für die Schnittblumenkultur und vermittelte seinen Kindern gern den Spaß am Gärtnerberuf. In der Coronazeit erlebte er, dass in Krisen durchaus auch Chancen liegen, und er profitiert bis heute vom damals aufgebauten Ab-Hof-Verkauf. In den letzten Monaten seien allerdings so viele Unwägbarkeiten und neue gesetzliche Vorgaben hinzugekommen, dass er sich fragt, ob die Gerberakultur in seinem Unternehmen eine Zukunft hat.

Der Gartenbaubetrieb in Straelen-Broekhuysen wurde 1967 von Vater Werner Schmitz als Gemüsebaubetrieb mit ersten Gewächshausflächen und Freiland gegründet. Zehn Jahre später schwenkte er um auf Blumen. 1997 kam Ralf Schmitz von der Meisterschule und stieg in den Betrieb mit ein; ab 2006 in GbR mit seinen Eltern Werner und Katharina Schmitz. Über die Jahre wurden die Gewächshausflächen erweitert und altgewordene ersetzt, sodass heute 1 ha unter Glas und 4 ha Freiland für die Schnittblumenproduktion zur Verfügung stehen. Seit 2011 ist Ralf Schmitz alleiniger Betriebsinhaber, wird aber weiterhin von seinen Eltern unterstützt. Außerdem arbeiten neun Personen fest angestellt in Vollzeit, Teilzeit oder als geringfügig Beschäftigte sowie vier Saisonarbeitkräfte in dem Gartenbaubetrieb. Ihre Wurzeln haben die Mitarbeiter, die seit Jahren treu sind, in Polen und Indien.
Hauptkultur sind Gerbera, die ganzjährig in 30 Sorten Mini-Gerbera und 36 Sorten Pomponi-Gerbera kultiviert werden. Mit ausgesuchten Farben und besten Qualitäten für den Fachhandel behauptet sich der Betrieb am Markt. Von Mitte Dezember bis Ostern sind 1 100 m² Gewächshausfläche für die Tulpentreiberei reserviert – auch hier setzt Schmitz auf besonderen Farben und Blütenformen wie gefüllte, Papageien- oder gefranste Blüten. Auf der Freilandfläche werden unter anderem Helianthus und Carthamus erzeugt.

Tücken der Produktion
In der Produktion arbeitet der Gärtnermeister seit längerem intensiv mit dem Klima-PC und spart durch intelligente Klimaführung Energie. Dabei reduziert er die Heiztemperatur und vergrößert den Abstand zur Lüftungstemperatur, sodass die Sonne mit ihrer Strahlung das Gewächshaus insbesondere im Frühjahr und im Herbst kostenlos aufheizt. Gerbera werden bis zu acht Stunden am Tag belichtet und stundenweise auch die Tulpen. Für die Energieversorgung mit Strom und Wärme betreibt Schmitz ein 50 kW-Blockheizkraftwerk mit Flüssiggas. Für Spitzenlasten steht ein Kohlekessel zur Verfügung und auch ein Ölkessel könnte im Notfall in Betrieb genommen werden. Zurzeit denkt der Unternehmer über ein zweites BHKW plus Wärmepumpe nach.

Während die Tulpen, in den drei Wochen, in denen sie im Betrieb stehen, außer Wasser keine Pflege brauchen, sind die Gerbera so ziemlich für jeden Schädling anfällig. Durch Wirkstoffeinschränkungen und -wegfall beobachtete Schmitz zunehmende Resistenzausprägungen der verschiedenen Schaderreger in der Gerberakultur und begann mit dem Aussetzen von Nützlingen. Mittlerweile werden nur noch bei Kalamitäten chemische Wirkstoffe eingesetzt, aber ohne Chemie geht es nicht.

Neuer Absatzweg
Schmitz Gartenbau ist seit Jahrzehnten Landgardanlieferer. Große Teile der Produktion sind vorbestellt, nur kleine Mengen laufen über die Versteigerungsuhr. In der Coronazeit, als der Absatz von Schnittblumen eingebrochen war, kam der findige Unternehmer auf die Idee, Blumen kontaktlos ab Hof anzubieten. Vom ortsansässigen Getränkehändler lieh er sich einen Getränkekühlschrank, befüllte ihn mit Tulpen- und Gerberasträußen, stellte eine Vertrauenskasse auf und machte Werbung über seine Homepage, Facebook und Instagram. Glück im Unglück: drei Tage später stand das Team der WDR Lokalzeit auf dem Hof, um einen Beitrag über Gartenbaubetriebe im Lockdown zu drehen. Die Präsenz im Fernsehen löste einen wahren Ansturm auf den Betrieb aus: Die Leute hatten einen Grund und ein Ziel, das Zuhause zu verlassen und gönnten sich mit den frischen Blumen etwas Schönes. Mittlerweile ist die große Euphorie abgeebbt, aber der Selbstbedienungsverkauf, der längst einen professionellen Kühlschrank hat, läuft weiterhin sehr gut. Tulpen gehen als 22+er-Bunde weg; die Gerbera bindet der Chef persönlich zu hübschen Sträußen.

Herausforderungen und Unwägbarkeiten
Ralf Schmitz blickt skeptisch in die Zukunft. Vor Jahren produzierten noch sieben Kollegen Gerbera am Niederrhein, nun ist er mit Gerbera van Megen zu zweit. Die Konkurrenz mit Massenware aus den Niederlanden ist groß, das Image der „Billigblume“ habe die Gerbera noch nicht abgelegt. Bisher ging seine Strategie, beste Qualitäten in besonderen Farben an den Fachhandel zu verkaufen, auf. Aber Kosten und Aufwand steigen stetig und die Liste der Herausforderungen wird immer länger.

Ein großes Fragezeichen setzt Schmitz hinter die Energieversorgung der Zukunft, gerne möchte er weg von fossilen Energien. Aber die regenerativen Alternativen seien noch zu teuer. Hier wünscht er sich mehr politische Klarheit und Perspektiven in der Auswahl der Energieträger. Stattdessen machen die Erhöhung der CO2-Steuer und das Energieeffizienzgesetz Sorgen. Die Rahmenbedingungen ändern sich in immer schnellerem Tempo. Eigentlich wollte der Schnittblumenanbauer in einen zweiten Energieschirm investieren und hatte den Lieferanten schon zur Vorbesprechung im Betrieb, da wurde plötzlich der Fördertopf gestrichen.

Pflanzenschutzmittel fallen weg und stehen in der gesellschaftlichen Kritik, von Resistenzbildung mal ganz abgesehen. Über Arbeitskräftemangel kann Schmitz nicht klagen; zu seinem Personal pflegt er langjährige, familiäre Beziehungen. Aber er sieht natürlich die Entwicklung, dass Fachkräfte zukünftig nicht mehr in dem Maße zur Verfügung stehen werden.

„Der Gärtnerberuf an sich ist schön. Aber das wirtschaftliche Risiko und die ständigen Querschüsse – zurzeit wüsste ich nicht, ob ich meinen Kindern den Beruf empfehlen könnte. Es sind einfach zu viele Faktoren, auf die man reagieren muss und wo man nicht weiß, wo die Reise hingeht. Diese Unsicherheit hemmt notwendige Investitionen.“ Dennoch möchte Schmitz sich seinen Optimismus nicht nehmen lassen: Mit Blumen werden emotionale Produkte gekauft – jetzt und auch für zukünftige Generationen!

Sabine Aldenhoff

(Artikel aus GP 04/24)