11.07.2024

Schirmen und sparen

Konventionell rechts, ökologisch links und ganz links und nicht im Bild: das Erdwärmekraftwerk samt –quelle
Foto: Jacobsen

Nur eines der gartenbaulichen Großprojekte, die Familie Steiner seit 2014 fast schon im Jahresrhythmus eine Stunde östlich von München verwirklicht, weicht vom roten Faden ab, der all diese Projekte miteinander verbindet. Das macht die Geschichte hinter der Geschichte allerdings keinesfalls weniger überzeugend, schließlich handelt es sich dabei um 3 ha Erdbeerkultur auf Stellagen im Folientunnel und für eine unbeheizte Erdbeerkultur braucht es nun einmal weder Erd- noch Abwärme.

Anders dann in den in drei Bauabschnitten verwirklichten Venloblocks, die sich am entgegengesetzt gelegenen Ortsausgang des Dörfleins Kirchweidach harmonisch in die Landschaft einfügen.

Oder dem mit der Abwärme einer Müllverbrennungsanlage gespeisten vorvorletzten Streich der Steiners: ein 2020 in Betrieb genommener Neubau in der Nähe des ebenfalls nicht weit entfernten Örtchens Emmerting, in dem die Tomatenwelt gewissermaßen auf den Kopf gestellt wird – schließlich werden dort die Abteile nicht spätestens zum Jahreswechsel geräumt, sondern zur besten Sommerzeit, was gleichbedeutend damit ist, dass der Produktionspeak dann auch in bester Südhalbkugelmanier mitten in unseren Winter fällt. In Emmerting schließt sich auch der Kreis, der Josef Steiner überhaupt erst nach Kirchweidach gebracht hat. Auf der Suche nach einem Ort, an dem sich seine Vision einer umweltgerechten und nachhaltigen Gemüseproduktion verwirklichen lassen könnte, war die Emmertinger Müllverbrennung als potenzieller Abwärmelieferant einer seiner heißen Favoriten.

Erstmal Erd- statt Abwärme

Nur führte ihn sein Weg dann zuerst noch einmal ein Stückchen weiter zu den beiden rund 5 km langen Bohrungen, die in Kirchweidach seit 2013 die Förderung von stündlich knapp 400 000 l gut 120 °C warmem Wassers aus knapp vier Kilometern Tiefe ermöglichen. Es war schnell klar, dass die jährlich rund 100 000 MWh aus dem Erdinneren nicht nur zur Versorgung eines Großteils der Haushalte vor Ort, sondern auch zur umweltgerechten und nachhaltigen Fruchtgemüseproduktion im großen Stil reichen würden.

Einen kleinen Pferdefuß hatte die ganze Sache allerdings von Anfang an: Von vornherein als kraftwerksgeführtes Energieprojekt angelegt, wurde mit dem Baufortschritt der Stromerzeugungsanlage des Geothermie- Kraftwerks in direkter Nachbarschaft zum Biohof Kichweidach deutlich, dass es für Familie Steiner sowie die Gemeinde Kirchweidach mittelfristig ohne einen Plan B nicht gehen würde. Und da sich die günstigen geographischen Voraussetzungen ja nicht so schnell ändern, lag es nahe, einen zweiten Bohrversuch, dieses Mal gewissermaßen in Eigenregie, zu wagen.

Plan B: ein eigenes Bohrloch

Vor dem Startschuss zur Bohrung stand Ende Januar 2023 erst einmal die Segnung des Bohrmeißels an. Zwei Monate später waren 3 000 m Tiefe erreicht, noch einmal zwei Monate später 3 500 m. Die Temperatur des Wassers stimmte, die Schüttung erlaubte jedoch keinen wirtschaftlichen Betrieb der Wärmequelle. Ende Juli dann die Entscheidung, einen Sidetrack in ein anderes Auffindungsgebiet zu bohren. Ob es wirklich am Wohlwollen der katholischen Kirche gelegen hat, wird sich wohl niemals klären lassen – eindeutig ist jedoch, dass Anfang Oktober Vollzug vermeldet werden konnte: In 3 050 m Tiefe gab es im dritten Anlauf Warmwasser in mehr als ausreichender Menge und entsprechender Temperatur.

Mit rund 820 bayerischen REWE- und PENNY-Märkten als Kooperationspartner werden zukünftig also statt in unmittelbarer Nähe zu den Bohrlöchern in gut 7 km Abstand zur Wärmequelle auf rund 20 ha Tomaten, Paprika und Erdbeeren nach den Richtlinien „Geprüfte Qualität Bayern“ produziert. Dazu dann Tomaten, Paprika und Gurken in Naturland-Bioqualität auf 6 ha einmal quer über die Straße sowie auf gut 4,5 ha Wintertomaten in dem mit Abwärme beheizten Gewächshaus in Emmerting.

Nachhaltigkeit ist mehrdimensional

Auch wenn der Bekanntheitsgrad von Familie Steiner mit der Markteinführung der für diese Jahreszeit ungewohnt geschmackvollen Wintertomaten noch einmal stieg, hatten sich die Produktionsanlagen in Kirchweidach bereits in der Vorpandemiezeit als beliebtes Ausflugsziel etabliert. In den Betriebsführungen wurde dann nicht nur auf die CO2-neutrale Beheizung der Gewächshäuser mit Erdwärme eingegangen, es wurde auch erklärt, welch wichtigen Part die Hummeln bei der Produktion spielen und warum in der konventionellen Produktion ein Kokossubstrat verwendet und im Bioanbau in der Erde kultiviert wird. Spätestens, wenn dann die Frage nach der sozialen Dimension des Ganzen auftauchte und es sich zeigte, dass auch diesbezüglich auf Seiten Familie Steiners keine Mühen gescheut werden, möglichst nachhaltig zu agieren, war dann auch der letzte Kritiker überzeugt – oder wie Florian und Wolfgang Steiner von ihren Büros mit Blick auf den Haupteingang beobachten konnten: Selbst die größten Skeptiker hätten das Betriebsgelände in gewisser Weise geläutert wieder verlassen.

Es lässt sich dann auch nicht an Einzelpunkten festmachen, was in diesen Fällen zu deren Sinneswandel beigetragen haben könnte – es ist vielmehr das Gesamtkonzept, davon sind Florian und Wolfgang Steiner überzeugt. Und das bedeutet nicht nur im hier und jetzt auf allen Gebieten möglichst nachhaltig zu produzieren, sondern auch mit Blick in die Zukunft Neuentwicklungen und Innovationen positiv zu begegnen.

Und als dann die Frage nach dem passenden Schirmtuch für den BIOhof Kirchweidach aufkam, fiel die Wahl nicht schwer: Mit Svenssons Luxous 1347 FR hatten Steiners bereits am Firmenstammsitz in einfacher und doppelter Ausführung gute Erfahrungen gemacht. Nun hilft Nachfolger Luxous 1147 FR im BIOhof Kirchweidach Energie zu sparen und in Emmerting hängt über dem wegen der künstlich belichteten Winterproduktion notwendigen Obscura 9950 FR W Svenssons Harmony 1315 O FR.

Auch dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft blieben die Aktivitäten von Familie Steiner nicht verborgen: Auf dem Gartenbautag im September 2022 wurde Gemüsebau Steiner mit dem Deutschen Innovationspreis Gartenbau für ihr Unternehmenskonzept „Nachhaltigkeit im Unterglasanbau von Fruchtgemüse“ ausgezeichnet. Wolfgang Steiner brachte es in seiner Dankesrede auf den Punkt:

„Der Gewinn dieses Preises erfüllt uns mit Stolz, Freude und Dankbarkeit und bestärkt uns darin, unsere Energie und Innovationskraft weiter dafür einzusetzen, unsere Umwelt zu schützen und unseren Planeten für künftige Generationen lebenswert zu erhalten. Gerade in Zeiten von hoher Abhängigkeit von Energieimporten und damit verbundenen Risiken ist unser Modell vorbildhaft für den Gemüsebau in Europa und ein wichtiger Schritt zur Energiewende sowie zur Eigenversorgung mit Lebensmittel.“

Tim Jacobsen

(Artikel aus GP 07/24)