31.01.2024

Zwiebelforum 2024 mit Teilnahmerekord

Wie heißt es so schön im Rheinland: Beim ersten Mal ist es zum Ausprobieren, beim zweiten Mal Tradition und beim dritten Mal Brauchtum - die fünfte Ausgabe des Zwiebelforums brachte die Zwiebelwelt nach Stippvisiten im niedersächsischen Peine sowie im pfälzischen St. Martin erneut nach Bonn

Es war nicht der mehr oder viel mehr eher weniger passend am Abend zuvor vor allem im Großraum Bonn einsetzende dichte Schneefall, der die vierte Auflage des Zwiebelforums im zehnten Jahr zu etwas ganz Besonderem machte. Es war der Mix aus mittäglicher An- und Abreise, vier thematisch unterschiedlichen Themenblöcken, einer kleinen, aber feinen Kollektion an Ausstellern aus dem vor- und nachgelagertem Bereich, dem gepflegten Austausch über das Fachliche hinaus sowie einem durchaus auch einmal überraschenden Rahmenprogramm, der das Zwiebelforum zu etwas ganz besonderem macht.

Und sogar die ehemalige Bundeshauptstadt selbst ließ sich nicht lumpen und wurde dem Jubiläumsjahr in besonderer Weise gerecht: Nicht nur wurde der Festabend begleitet von einem Who is who der regionaltypischen Köstlichkeiten, Prinz Cornelius I. und Bonna Carina I. samt Gefolge ließen es sich am Nachmittag des 18. Januar 2024 nicht nehmen, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Bonner GSI persönlich zu begrüßen. Einmal mehr zeigte sich: bei der zweitägigen Veranstaltung geht es auch, aber nicht nur bierernst zu.

Mitorganisator Tim Jacobsen (www.gb-profi.de) erinnerte zu Beginn des Zwiebelforums an vergangene Zeiten: „2014 haben wir uns gemeinsam mit Sonja Illert und Hans-Christoph Behr auf unsere Zwiebelforumsreise begeben; der eine und die andere der echten Zwiebelforumsveteranen wird sich vielleicht erinnern, dass wir uns seinerzeit ebenfalls im GSI getroffen haben. 2018 ging es dann erstmals on the road, wer dabei war, hat die sehr stürmische und sehr stimmige Veranstaltung in Peine mit Sicherheit nicht vergessen.

2020 ging es dann ins Haus am Weinberg nach St. Martin. Dort gab es einen der letzten spektakulären Sonnenaufgänge zu sehen, bevor es dann für alle ab in den Lockdown hieß. Aus dem Zweijahresrhythmus wurde ein Vierjahresrhythmus und vier Jahre lassen dann viel Zeit, hier zu hören zu bekommen, dass eigentlich kein Mensch mehr Präsenzveranstaltungen braucht - dort mitzubekommen, dass reihenweise Veranstaltungen mangels Teilnehmender ausfallen.“

Dass die Organisatoren Recht hatten, allen Unkenrufen zum Trotz an der Durchführung der Veranstaltung fest zu halten, bewiesen die rund 130 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Diese trotzten auch den widrigen Straßenverhältnissen: Zwar war die von Rukwied ausgerufene Wut-Woche gerade passend zu Veranstaltungsbeginn zu Ende gegangen, als wollte der Wettergott das Ganze aber nicht auf sich sitzen lassen, schüttelte eingangs erwähnte Frau Holle, was vom Himmel ging und sorgte im wenig Winter-erprobten Rheinland für garantiert-nicht-Genehmigungs-pflichtige Entschleunigung.

Pflanzenschutz aktuell

Mit dem Präsidenten des Fachverbandes Deutsche Speisezwiebel e.V., Bernd Haas, ging es dann direkt medias in cepae. Philipp Meise (www.landwirtschaftskammer.de) folgte mit einem Rückblick auf die Anbau- und Pflanzenschutzsaison 2023 und einem Ausblick für 2024. An den kalten April und den warmen Juni im Jahr 2023 können sich zumindest im Rheinland wahrscheinlich alle erinnern, genauso wie an die eher hohen Niederschläge im März, August und dem letzten Quartal 2024. Die Saison startete mit vier bis sechs Wochen Verzug und die Auswirkungen davon werden auch die weitere Vermarktungssaison prägen.

Frank Uwihs (www.agravis.de) füllte drei noch relativ neue Begriffe im Zwiebelanbau mit Leben: Spotspraying mit Eco Robotics ARA als sinnvolle Ergänzung zum bisherigen Pflanzenschutzmitteleinsatz, autonome Hackroboter wie Farmdroid FD 20 als Alternative für den Bioanbau, aber auch für konventionelle Betriebe, und Blattanalysen wie die von Eurofins zur Erfassung des Ernährungszustandes der Pflanze und „was man damit machen kann“. Damit noch lange nicht genug, war es Uwihs auch gelungen eine leibhaftige Eco Robotics ARA direkt neben dem Vortragssaal parken zu lassen.

Rinus Struik (www.degrootenslot.nl) kam am Ende seiner Ausführungen zu „Fusarium: Erfahrungen und Lösungsansätze aus unserem Nachbarland“ zu genau dem Fazit, das wir wahrscheinlich alle bereits geahnt hatten: „widerstandsfähige Böden sicherstellen, auf Wirtspflanzen achten, Anbaurotation 1:6 oder breiter, im Zweifelsfall Bodenanalysen durchführen, für gleichmäßiges Wachstum sorgen, Vorsicht beim Bewässern, Spritzwasser vermeiden und möglichst schonend ernten“.

Kurzes Karnevalskaffeepausenintermezzo

Die Kaffeepause wartete dann mit dem erwähnten ganz besonderen Schmankerl auf. Die Bonner Tollitäten Bonna Carina und Prinz Cornelius hatten ihr Kommen angekündigt, schließlich gibt es nur wenige Dinge, die im Rheinland auf eine längere Geschichte als das Zwiebelforum zurückblicken können, und der Bonner Karneval ist nun einmal eines davon.

Seine erste urkundliche Erwähnung stammt aus dem Jahr 1585, als Kurfürst Ernst von Bayern, die Abschaffung der Bonner Fastnachtgesellschaft verfügte. Gut zweihundert Jahre später unternahm der Österreicher Maximillian Franz einen weiteren Versuch, das Bonner Karnevalsgeschehen zu reglementieren. Vorausgegangen waren, ein Schelm wer Böses dabei denkt, wirtschaftliche Schwierigkeiten des Kurstaats Köln.

Es hätte kein besseres Motto als „Ob en de Kneip, de Stroß oder em Saal, mir fiere Bönnsche Karneval“ geben können, um 2024 endlich einmal Karneval und Zwiebelforum zusammen zu bringen. Bevor Prinz und Bonna dann ausgerüstet mit Kartoffeln zum Reibekuchen braten und Socken für wohlig warme Füße von dannen ziehen durften, mussten sie noch eine Frage richtig beantworten: Die Beiden zögerten nur kurz und lagen mit ihren 38,4 t Durchschnittshektarertrag für Speisezwiebeln im Jahr 2022 goldrichtig.

Ökonomie des Zwiebelanbaus

Nach dem Pflanzenschutz, der traditionsgemäß beim Zwiebelforum an erster Stelle steht, folgte ebenso traditionell als zweiter Veranstaltungsteil Markt und Meinung, zur Jubiläumsveranstaltung etwas feiner mit Ökonomie des Zwiebelanbaus überschrieben. Sucht man in Deutschland nach Daten und Fakten zur Kalkulation und Bewertung der Landbewirtschaftung, dann führt am Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft kein Weg vorbei.

Matthias Funk (www.ktbl.de) betrachtete den Speisezwiebelanbau ganz nüchtern aus Sicht einer Excel Tabelle und kam beim Vergleich der Produktionskosten der Jahr 2021 mit denen des Jahres 2023 auf eine Kostensteigerung von nicht weniger als 26 % von 6400 € auf 8052 €. Das Versprechen „Herz, Hand und Feldverstand“ der Lünekartoffel-Vertrieb GmbH & Co. KG ergänzt die Agrarmarkt Informations-GmbH um ein "natürlich informiert" und so deckten die beiden nächsten Vortragenden gewissermaßen die ganze Wertschöpfungskette vom Saatkorn auf der heimischen Scholle bis hin zur Schiffsladung voller Zwiebeln auf den Weltmeeren ab.

Farina Lurz (www.ami-informiert.de) ging in ihrem Beitrag der Frage nach, ob und wann wie die Nachfrage nach Zwiebeln auf die stark gestiegenen Verbraucherpreise reagiert und endete mit der guten Nachricht, dass Deutschland mit einer kaum wahrnehmbaren Verbraucherreaktion auf die Preissteigerungen nicht allein ist. Auch in vielen anderen europäischen Ländern ist kaum eine Einschränkung der Einkaufsmengen bei gleichzeitig drastischem Anstieg der Verbraucherpreise zu erkennen. Eine Sicht der Dinge, die auch Torsten Renken (www.luenekartoffel.de) nicht ganz fremd war, der sie aber wiederum um die Herausforderung der kontinuierlichen Zwiebel-Belieferung des Handels unter sprunghafter Preisentwicklung und sich verschiebenden globalen Warenströmen ergänzte.

Vor dem Festabend mit seiner zauberhaften Überraschung durch Welt-, Europa- und Deutschen Meister Patrick Lehnen stand dann noch Johannes Simons (www.ilr1.uni-bonn.de), der einmal mehr in seiner sehr charmanten Weise daran erinnerte, dass Konfrontation im Bereich der Preise natürlicher Bestandteil unseres Wirtschaftssystems ist und auch die Einkaufsmacht des LEH ihre Grenzen hat. Deshalb ist auch Kooperation eine wichtige Voraussetzung für das Funktionieren von Lieferketten und die Versorgung des LEH, insbesondere da der Wettbewerb zwischen den Unternehmen des LEH für den vorgelagerten Bereich Möglichkeiten eröffnet, Wettbewerbsvorteile durch ebenjene Kooperationen zu erzielen. Mit Verweis auf die Januarproteste erinnerte Simons auch daran, dass das Image der deutschen Landwirtschaft den Nutzen beeinflusst, den der LEH aus dem Bezug deutscher Produkte und aus dem Engagement für die deutsche Landwirtschaft zieht.

Lagerung und Bewässerung

Michael Pippert (www.dlr.rlp.de) gelang es tags darauf, das etwas sperrige „Energieeffizienzsteigerung inkl. Möglicher Diversifizierungsoptionen bestehender Energieströme innerhalb der  Erzeugung und Veredlung gartenbaulicher Erzeugnisse“ in verschiedene Diversifizierungsoptionen aufzulösen, mit deren Hilfe es gelingen kann, der Energiepreiskrise ein Schnippchen zu schlagen. Ekkehard Fricke (fachverband-feldberegnung.de) schlug einen weiten Bogen von Grundlegendem zur Beregnung über geeignete Bewässerungsverfahren hin zu zukünftigen Herausforderungen und ließ keine Zweifel daran aufkommen, dass Bewässerung in vielen Regionen Deutschlands die Voraussetzung für eine rentable Landwirtschaft und den Freilandgemüseanbau ist; gleichzeitig aber auch der wachsende Bewässerungswasserbedarf nicht überall und voll umfänglich aus den Grundwasserkörpern gedeckt werden kann und deshalb ein kluges Wassermanagement entscheidend ist. Bei aller „gefühlten Wasserknappheit“ dürfe auch nicht vergessen werden, dass Deutschland auch zukünftig ein absoluter Gunststandort für die Nahrungsmittelproduktion bleibt.

Ein praktisches Beispiel dafür, wie „eineinhalb Jahre nach der ersten Bohrung und kurz vor `Wasser Marsch´“ sein kann, schilderte Josef Hamm vom Bewässerungsverband Pütz. Wie das 100 Tonnen Ziel langsam aber unaufhaltsam von einem „Ertrag ja, aber nicht um jeden Preis“ abgelöst wurde, schilderte Rinus Struik, auch wenn er einschränkend oder mit Blick in die Zukunft hinzufügte, dass die 100 t natürlich immer Ziel geblieben sind, nur halt jetzt auch in der entsprechenden Qualität. „Ein guter Start ist mehr als 60 % vom Ertrag“ entsprach mit Sicherheit auch der leidvollen Erfahrung vieler der Anwesenden.

Koppert ist so ein bisschen das Schweizer Taschenmesser des biologischen Pflanzenschutzes. Und auch wenn Sarah Wieners Berichtsentwurf zu einer EU-Verordnung für nachhaltigen Pflanzenschutz einen Monat vor Weihnachten im Europäischen Parlament gescheitert ist, wird uns die Diskussion um sustainable use of plant protection products and amending Regulation, was in Kurzform dann die Abkürzung SUR ergibt, mit Sicherheit auch in Zukunft begleiten.

Und es muss ja auch gar nicht alles von heute auf morgen Bio sein, das eigentlich wichtige ist, sich dem Ganzen nicht von Grund auf zu verschließen und dabei dann vielleicht sogar zu lernen, dass eine ganze Menge mehr möglich ist, als auf den ersten Blick scheint. „In Control: Pflanzenschutz mit Hilfe der Nature“ mit Julia Eschweiler (www.koppertbio.de) zeigte genau das: Thripsbekämpfung mit Orius majusculus und Lobularia maritima, Einsatzmöglichkeiten von Nematoden im Gemüsebau und Freiland sowie nützliche Mikroorganismen im Gemüsebau und Freiland.

Wer einmal bei MSP Onions im niederländischen Nieuwdorp im Kontrollraum gestanden ist, und dort dem Zwiebeluhrwerk beim Ticken zugesehen hat, wird so schnell nicht vergessen, wie Lindert Moerdijk auch ohne "viele Hände" ein "schnelles und vor allem auch akkurates Ende" auf dem Weg ins Distributionszentrum garantieren kann.

Ob die weltweit größte automatisierte Zwiebelverarbeitungslinie nun das Meister- oder Gesellenstück von Eqraft gewesen ist und ob es wirklich immer größer, weiter, schneller sein muss, wusste Tiemen Markering, mit dem sich das Zwiebelforum dann tatsächlich unaufhaltsam dem Ende zuneigte. Markering fasste gewissermaßen die beiden Tage zusammen: Es gibt stets „höhere Qualitätsanforderungen, steigende Löhne, weniger Verfügbarkeit geeigneter Personen, verändernde Arbeitskultur, Lebensmittelsicherheit und BRC, Inflation, steigende Zinsen und Energie wird immer schwieriger zu bekommen.“

Da klingt das Eqraft-Versprechen dann doch dann mehr als verlockend: „Pro kg noch 1 Cent zusätzlich verdienen?“ und darüber hinaus: „Geringere Wartungskosten, geringere Schäden, weniger kaputte Kisten, weniger bw- keine fehlenden Gabelstapler, ein effizienter Prozess, Abfallverwertung und bei 24 Mio. kg ? Ersparnis: noch 240 000 € pro Jahr.“

Das nächste Zwiebelforum findet 2026 statt. Mehr Fotos von der gerade zu Ende gegangenen Veranstaltung unter https://www.moehrenundzwiebelforum.de/impressionen-vom-zwiebelforum-2024/

Tim Jacobsen