11.04.2024

Rheinische Obstbauern informieren sich

Die Apfelsorte `Wurtwinning´ hat einen neuen Namen
Foto: Scheel

Aktuelle Themen rund um den Obstanbau wurden Ende Januar 2024 beim Rheinischen Obstbautag in Wachtberg-Villip präsentiert, zu dem die Landwirtschaftskammer NRW in Zusammenarbeit mit dem Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum Rheinpfalz und dem Provinzialverband Rheinischer Obst- und Gemüsebauer e. V. eingeladen hatte. Die Agenda bestand wieder aus einer bewährten Mischung mit Vorträgen zum Thema Pflanzenschutz sowie aktuelle, praxisrelevante Informationen zum Obstanbau.

„Der Apfelwickler ist wieder auf dem Vormarsch“, betonte Dr. Christian Scheer vom Kompetenzzentrum Obstbau Bodensee (KOB Bavendorf) eingangs und ermahnte die Produzenten, ihre Apfelanlagen zu kontrollieren. „Sie müssen wissen, was bei Ihnen los ist in der Anlage.“ Dabei helfen Pheromonfallen, den Flug der Männchen zu kontrollieren. Die Kontrolle der zweiten Generation kann mit Wellpappringen erfolgen. Zur Regulierung des Apfelwicklers setzt Dr. Scheer auf mehrere Bausteine und empfahl die Pheromonverwirrung zum Flugbeginn. Wichtig sei auch die Kombination von Chemie und Granulosevirus. Zum Schlupfbeginn sollte 2/10 bis ½ Aufwandmenge des Granulosevirus alle 7-10 Sonnentage verabreicht werden. Insgesamt sollte das 1,5-fache der vollen Aufwandmenge an Granulosevirus für ein Jahr bevorratet werden, empfahl der Pflanzenschutzexperte. Bei Zunahme der Flugaktivität ist die Coragen-Terminierung wichtig. Wenn zur Ernte im Vorjahr ein Befall von über 0,5 % vorlag, empfiehlt sich eine zweite Coragen-Behandlung vier Wochen später – jeweils mit einem Granulosevirus. „Wenn Sie aber Coragen anwenden, dann immer mit Granulosevirus“, schärfte Dr. Scheer den Anbauern ein. Zum vierten Baustein zählt in Problemanlagen der Nematodeneinsatz im Herbst.

Über die praktische Anwendung der Apfelwickler-Pheromonverwirrung mit CheckMate® Puffer® CM berichtete Igor Pedljo, Biofa GmbH. Dabei stellte Pedljo die Vorteile des neuen Puffer vor, bei dem das Gehäuse verschlossen ist, 60 % weniger Plastik enthält, nach Zeitzone und Schädling programmiert ist und einen Knopf zum Einschalten als Kontrolle sowie einen Temperatursensor enthält. „Bei Temperaturen unter 12 °C sprüht der Puffer nicht mehr“, so Pedljo, „so dass der neue Puffer nicht mehr schäumt.“ Zur Anbringung des Puffers empfahl Pedljo den hohen Bereich der Obstbäume oder Hagelnetzpfahl – wenn möglich über der Baumkrone und direkt unter dem Hagelnetz oder außerhalb der Netzanlage. „Pheromone sind schwerer als Luft und senken sich ab“, so der Obstbauer. Das Ready-to-use-Programm wird beim Drücken des Startknopfes aktiviert. Die zeitlich programmierte Freigabe ist täglich von 17 bis 5 Uhr (12 h) alle 15 Minuten. Empfohlen werden, zwei CheckMate® Puffer® CM/ha auszubringen – vor Beginn des Falterfluges der ersten Generation bis zur Ernte. Nach dem Einsatz werden die Gehäuse im November/Dezember kostenlos von Biofa zurückgeholt und recycelt. Die leeren Aerosol Dispenser müssen vom Anwender über die Gelbe Tonne entsorgt werden.

Baumformen für die Zukunft
Über die Forschungen zu Baumformen für die Zukunft berichtete Lars Zimmermann, DLR Rheinpfalz. Gründe, an neuen Erziehungssystemen zu forschen, sieht Zimmermann in den Qualitätsansprüchen des LEH am Produkt sowie in fehlendem, ungelerntem und teurem Personal, so dass eine vereinfachte Mechanisierung und Entwicklung von einfach zu bearbeitenden Systemen für ungelernte Fachkräfte möglich sein kann. „Bei zweidimensionalen Baumformen ist ein smarter Obstbau mit Sensortechnik einfacher“, betonte Zimmermann. „Zudem lässt sich der Pflanzenschutz bei neuen Erziehungssystemen reduzieren.“ Außerdem kann die Baumanzahl/ha insbesondere für Clubsorten reduziert werden.

Als Beispiele mehrachsiger 2D-Baumformen nannte Zimmermann den klassischen Bibaum (2 Achsen) und den mehrachsen-Baum aus einer schrägen Spindel bei 50-60° und daraus 1-3 einjährige Triebe nach oben wachsend. Weiteres Beispiel ist der einfache Guyot, also eine Spindel oder in der Baumschule im Topf vor-formierter Baum mit waagerechter und ansteigender Primärachse, oder ein doppeltes Guyot, ein Bibaum, bei dem die Hauptachsen in die andere Wuchsrichtung zurückgebogen werden und aus diesen dann 2-4 einjährige Triebe nach oben erzogen werden, sodass eine waagerechte Primärachse ohne Zwischenveredelung entsteht.
Vorteile dieser mehrachsigen 2D-Baumform sieht Zimmermann in einer lockeren, schnelltrocknenden Fruchtwand, einer Wachstumsregulierung, da das Wachstum auf mehrere Achsen aufgeteilt wird, und eine Reduzierung der Bäume/ha. Außerdem erhalten die Früchte eine bessere Ausfärbung sowie größere Kaliber und der mechanische Schnitt und die Ausdünnung werden einfacher.

Zwetschenanbau
Zum Thema Zwetschen erläuterte Martin Balmer zunächst den Zwiespalt zwischen Qualitätsertrag und Mengenproduktion. „Bei der Zwetschenproduktion sollte sich der Anbauer bewusst die Frage stellen, ob die Zwetsche in seinem Betrieb eine Nebenkultur ist oder ob er mit dem Zwetschenanbau weitergehen will bis in den Risikobereich hinein“, betonte Balmer. Bei allen Berechnungen und Überlegungen seien gute Qualtäten wichtig, aber entscheidend ist die Ertragssicherheit, so der Tenor in der Diskussion.

Im Anschluss gab Balmer noch eine aktuelle Sortenempfehlung für Zwetschen. Dabei sollten 70-80 % der Anbaufläche mit den Basis-Sorten, wie `Katinka´, `C. Schöne´, `C. Fruchtbare´, `Topper´ und `Presenta´, bepflanzt sein. Weitere 10-15 % der Anbaufläche können mit Sorten mit einem erhöhten Risiko für Fäulnis, Platzen, Halswelke oder Scharka abgedeckt werden, wie z. B. `Hauszwetsche´, `Haroma´ und `Toptaste´. Ein Anbau dieser Sortengruppe sollte allerdings nur in enger Absprache mit dem Vermarkter erfolgen. Außerdem betonte Balmer, dass ein Mehrerlös darstellbar sein sollte, und wies da­­rauf hin, dass ein erhöhter Handaufwand in der Produktion entstehen könnte. Überschaubare 5 % der Anbaufläche kann mit Neuheiten aufgepflanzt werden, wie z. B. `Franzi´, `Moni´, Wei8326, Wei2413 oder `Herrenberger´. Da Neuheiten oft nicht selbstfertil sind, besteht bei dieser Sortengruppe ein gewisses Ertragsrisiko, so Balmer. Auch der Anbau dieser Neuheiten sollte eng mit dem Vermarkter und Sorteninhaber abgestimmt werden. „Jede Neuheit birgt auch ein gewisses Vermarktungs- und Preisrisiko“, unterstrich Balmer. „Aber ohne Risiko gibt es auch keinen Fortschritt.“

Wie geht es weiter bei Kernobstsorten?
Um neue Sorten ging es auch beim letzten Teil des Obstbautages – allerdings im Bereich Kernobst. Anke Fischer vom niederländischen Züchter Fresh Forward stellte die Apfelsorte `Wurtwinning´ vor, die bei der Fruit Logistica Anfang Februar offiziell auf den Markennamen Bloss® getauft wurden. Diese Sorte ist eine Kreuzung aus SQ 159 (Natyra®/Magic Star®) und Honeycrisp® und zeichnet sich durch eine gewisse Robustheit aus (Schorfresistenz, Rvi 6 und Rvi 20, geringe Mehltauanfälligkeit). Bloss® hat eine mittelfrühe Blüte und einen langen Blühzeitraum sowie unterschiedliche S-Allele. Der Baum hat ein mittelstarkes apikales Wachstum mit ausreichender Verzweigung und ist schlank mit leicht abhängendem Fruchtholz. Die Fruchtgröße liegt bei 70-80 mm und der früheinsetzende Ertrag ist mit 50-60 t/ha relativ hoch. Die Erntezeit liegt im Bereich `Jonagold´/`Pinova´ (erste Pflücke Ende September) mit zwei Pflückdurchgängen. Diese Sorte mit einem guten Geschmack und einem guten Shelf-Life dürfen Konzeptpartner der indirekten Vermarktung (LEH) sowie Direktvermarkter in Deutschland pflanzen (max. Baumzahl pro Anbauer/Betrieb).

Wie es mit der Xenia®-Birne weiter geht, erläuterte Peter van Rijn von Xenia ­Europa BV. Xenia® wird in Deutschland bereits seit 2008 angebaut. Die hiesige Anbaufläche liegt bei 200 ha, in den Niederlanden wurden 380 ha mit Xenia® bepflanzt. Im Jahr 2013 ist das Unternehmen Xenia Europa BV entstanden, das mit lokalen Dienstleistern zusammenarbeitet, so van Rijn. Die Firma koordiniert den Verkauf von Xenia®-Bäumen in ganz Europa und beaufsichtigt die Forschung im Bereich Kühlung, Anbau und Geschmack. In Deutschland arbeitet Xenia Europa mit MaBo am Bodensee zusammen und der Verkauf erfolgt durch die Obst vom Bodensee GmbH. Seit 2023 ist Xenia® bei dem DOSK untergebracht. Im vergangenen Jahr wurde die neue Marketingkampagne Xenia „Birn mal dein Hirn“ entwickelt und zusammen mit dem DOSK eingeführt.
„Das junge Unternehmen „Exklusive Hofsorten GmbH“ (EHS) ist eine Bündelung von Obstbaubetrieben mit Ab-Hof-Vermarktung in einem europäischen Netzwerk, um gemeinsam neue attraktive Apfelsorten für eine moderne Käuferschicht anzubauen“, erläuterte Roland Schmitz-Hübsch, Obstbauer in Bornheim-Merten und EHS-Mitglied, und stellte zwei neue Apfelsorten vor. `Elstar´ EHS ist eine attraktiv und intensiv gestreifte `Elstar´-Mutante. Sie hat einen 60-80 % höheren Deckfarbenanteil als der Standard-`Elstar´, ist drei Tage vor `Elstar´ Elshof reif und benötigt zwei bis drei Pflückdurchgänge. „`Elstar´ EHS ist durch sein attraktives, lebendiges Aussehen mit der frischen grünen Grundfarbe eine sinnvolle Bereicherung im Sortiment. Der Apfel behält seine Streifung, wird immer als `Elstar´ identifiziert, hat also einen hohen Wiedererkennungswert“, betont Schmitz-Hübsch.
Besonders bei jüngeren Endkunden wird die Sorte Snap Dragon® gern nachgefragt. Dieser knackige, saftig-frische, süße und fruchtige Apfel wurde bereits 2011 im Staat New York, USA, erfolgreich eingeführt. „Das Marktingkonzept ist modern, auffällig und passt perfekt zur jungen Zielgruppe, die einen besonders knackigen, saftigen und süßen Apfel liebt“, so Schmitz-Hübsch. Snap Dragon® ist eine Kreuzung aus Honeycrisp® und NY752. Der Baum ist schwachwüchsig, die Frucht hat einen hohen Deckfarbenanteil, ist homogen, glatt und keine Berostung. Die Ernte beginnt (im Rheinland) in der 3. Septemberwoche, Durchpflücken empfohlen. Der Apfel ist im ULO bis ins Frühjahr haltbar, eine SmartFresh®-Anwendung ist möglich. Snap Dragon® hat eine mittlere Mehltauanfälligkeit, vergleichbar mit `Golden Delicious´. Beobachtet wurde bisher eine Schorfrobustheit.

Birgit Scheel

(Artikel aus GP 04/24)