19.02.2024

Was sich auf der Welt beim Steinobst bewegt

Die Süßkirsche `Tieton´ ist die wichtigste Sorte im chinesischen Unterglasanbau. Sie wird

Moldawien lässt als Steinobstexporteur in die EU aufhorchen und China ist führend in der Forschung – so lautet die Quintessenz auf dem 42. Steinobstseminar in Ludwigshafen beim Blick über den westeuropäischen Tellerrand.

Moldau oder Moldawien kommt manchmal kurz in den Nachrichten vor. Viel wissen die meisten Menschen hierzulande meist nicht über das kleine Land zwischen Ukraine und Rumänien. Es ist landwirtschaftlich geprägt und ein bedeutender, aufstrebender Obstbauproduzent. Bislang waren die weiter östlich gelegenen Staaten die Hauptabnehmer. Doch das ändert sich gerade. Andrei Lozan berichtete auf der Bundessteinobsttagung in Ludwigshafen.

Früher der Garten der Sowjetunion

Andrei Lozan ist Obstbauberater und mit der Produktion von Aprikosen, Äpfeln und Co in einem Familienbetrieb in Moldawien aufgewachsen. 2022 exportierte die Republik Moldau Waren im Wert von 231 Mio. US-$ nach Deutschland und importierte mehr als doppelt so viel. Die Bevölkerung, so schilderte der Referent, besteht zu über 80 % aus Moldauern rumänischen Ursprungs. Es gibt Minderheiten mit ungarischem, ukrainischem, bulgarischem, türkischem, russischem - und bis zu Zweiten Weltkrieg - auch deutschem Hintergrund. Die Zahl der Einwohner ist rückläufig. Transnistrien, das dürften viele schon gehört haben, ist ein russisch kontrolliertes Gebiet zwischen Moldau und der Ukraine, das jegliche Durchfahrten von Lkws blockiert und damit den bisherigen Handel weitgehend unterbindet. Die Furcht vor einem Krieg ist vorhanden.

63 % des Landes sind landwirtschaftliche Nutzfläche, wovon 14 % für Dauerkulturen – vor allem Obst, Nüsse und Trauben - reserviert sind. Die Bewässerung ist über Flüsse und Seen möglich, jedoch sind 70 % der Obstanlagen noch nicht ausreichend bewässert. Früher war Moldawien ein Land der guten Böden, der Garten der Sowjetunion. Bis zum Krieg in der Ukraine ginge über 70 % der Exporte nach Russland. Doch nicht nur der Krieg, auch der Klimawandel sorgt für Veränderungen.

Moldawien rückt weiter nach Westen

Jetzt müssen sich die Anbauer noch schneller umorientieren als in den Jahren zuvor, als sie sich langsam in Richtung EU wandten. Seit 2022 ist das Land auch EU-Beitrittskandidat. Umorientieren, das bedeutet laut dem Referenten auch, dass man stark an der Qualität des Obsts arbeitet. Viele Produkte sind mittlerweile zertifiziert, zum Teil haben sie eine GAP-Zertifizierung. Es wird stark investiert in die Nachernte-Infrastruktur, in Verpackungs- und Qualitätssysteme und in den Aufbau von Marken. 2022 war ein Jahr relativ geringer Ernten, aber 2023 wurde die doppelte Menge eingefahren. Pflaumen und Kirschen wurden in Rekordmengen ausgeführt.

Pflaumen für den Markt nach der Haupternte

Gerade Pflaumen nehmen eine starke Entwicklung. 80 % davon sind der Sorte `Stanley´ zuzurechnen, die recht scharkatolerant ist. Die Früchte werden Mitte August geerntet und sind im CA-Lager zwei bis drei Monate lagerfähig. Das Ziel ist, sie dann, im September, auf den europäischen Markt zu bringen, wenn die Ware hierzulande ausgelaufen ist. „Die Republik Moldau ist 2023 der größter Exporteur von Pflaumen in der nördlichen Hemisphäre“, ließ Lozan einfließen. Das ist beeindruckend und bedeutet in Menge: 78.000 t, die in 31 Länder geliefert wurden. 60 % davon gehen bereits in die EU-Länder, nur noch 3,75 % nach Russland, 15 % in  Länder der ehemaligen Sowjetunion wie Kasachstan, Kirgisien, Usbekistan. In Deutschland kamen 7.500 t an. Viele Pflaumen kommen auch getrocknet in den Verkauf, 2023 waren es dreimal so viele wie im Jahr davor. Verpackt wird mittlerweile in kleine Boxen, die direkt an Supermärkte und Kooperationen geliefert werden. Bei den Anbausystemen konzentrieren sich die moldawischen Betriebe auf Hohlkronen, Spindel oder Fruchtwände.

Auch Süßkirschen für West- und Mitteleuropa

Bei Aprikosen sind sehr viele Sorten im Anbau, oft aus lokalen Herkünften. Sie werden in der Hohlkrone, als Pyramide oder als Dreiast-Sytem angebaut. 55 %, vor allem der Massenware, gehen in die benachbarte Ukraine. Deutschland ist die Nummer vier unter den Exportländern.

Süßkirschen werden Ende Juni bis Juli geerntet und waren perfekt auf den russischen Markt abgestimmt. Sie ersetzten nahtlos die usbekischen Kirschen, die den frühen Markt beherrschten. Die früheren Sowjetrepubliken in Asien sind nach wie vor die Hauptabnehmer. Über Umwege kamen auch 2023 noch 6000 t nach Russland. 2023 gelangten  jedoch zwölfmal so viele Kirschen wie  2022 in die EU, insgesamt 2600 t. Und es sollen noch deutlich mehr werden. Stark investiert wird in Hydrocooling-Sortieranlagen.

Obstbau in Familienhand

Die Produktion ist kleinstrukturiert und spielt sich in den Familienbetrieben ab, erklärte Lozan. Die durchschnittliche Betriebsfläche liege bei 15 ha, große Betriebe bewirtschaften bis etwa 100 ha. Während in der klassischen Landwirtschaft ausländische Investoren mitmischten, stammen die Investitionen im Gartenbau direkt aus den Betrieben heraus, teilweise aus Geldern, die man zuvor im Geschäft mit Russland erwirtschaftet hat. Wenn Investitionen privat angestoßen werden, unterstützt der Staat die Betriebe mit rund 30 bis 40 %. Es gibt kleinere Projekte, bei denen Unterstützung, vor allem in technischen Fragen, aus den USA kommt.

Arbeitskräfte kommen vor allem aus dem eigenen Land. Bei der Obsternte verdienen sie beispielsweise mehr als wenn sie in der Industrie arbeiten. 500 Euro monatlich bekommt ein Erntehelfer in Moldawien. Geht er in den Westen, dann sei es etwa der doppelte Betrag. Für Pflegearbeiten werde weniger, nämlich rund 15 bis 20 Euro täglich, bezahlt.

China dominiert beim Internationalen Kirschensymposium

Dr. Mirko Schuster, JKI (Julius Kühn-Institut) in Dresden, hat im Mai 2023 das 9. Internationale Kirschensymposium in China besucht. Ein Großteil der 61 Vorträge und 101 Poster stammte von chinesischen Wissenschaftlern, ein mittlerweile gewohntes Bild, sagte Schuster. Wie in vielen anderen Bereichen  konzentriert sich auch in der Wissenschaft, Forschung und Entwicklung vieles in China, im Rest der Welt wird es dünn. Bei den Veröffentlichungen und Vorträgen waren die Themen Nachernte und Pflanzenschutz verhältnismäßig schwach vertreten, fiel dem Chinareisenden auf. Fünf Beiträge hatte er beispielhaft herausgegriffen.

Atemberaubende Entwicklung

Professor Dr. Kaichun Zhang , Pekinger Akademie für Forst und Pomologie, ging auf die Historie der Kirschproduktion in China, genetische Ressourcen und Trends ein. Zahlreiche Prunus-Arten, auch im Zierpflanzenbau, stammen aus China. Die drei Arten Prunus fruticosa, P. pseudocerasus und P. tomentosa sind für den Obstanbau von Bedeutung. Der gewerbliche Anbau setzt sie dort jedoch erst seit 1980 ein – zuvor wurden sie nur für den Hobbybereich benutzt.

 Innerhalb von 50 Jahren erfolgte eine rasante Entwicklung. Jetzt gibt es drei riesige Anbaugebiete mit 167.000 ha Fläche und mit großen Farmen chinesischer, staatlicher oder privater, Firmen, mit einer Produktion im Freiland, aber auch im geschützten Anbau. Die Hauptsorte mit einem Anteil von 40 % ist `Hongdeng‘. Verschiedene Institute arbeiten an der Entwicklung neuer Unterlagen, wie Landina 2, die beispielsweise ein gutes Wurzelsystem entwickeln, leicht vermehrbar sind und kräftig wachsen. Die Kirschen werden teilweise wie  Pralinen vermarktet und erzielen sehr hohe Preise.

Kirschen im Januar

Qijing Zhang aus China berichtete über die Anstrengungen, um Kirschen für die Nebensaison in China zu produzieren. Das Zeitfenster für die Ernte ist von Januar bis April. 14.000 ha Gewächshausfläche stehen dafür zur Verfügung. Zu 90 % wird dort die Sorte `Tieton´ kultiviert. Die Früchte spielen Preise von 20 bis 30 Euro je kg ein. Die Gewächshäuser sind in Nord-Süd-Richtung errichtet, nach Süden hin offen und nach Norden mit einer Mauer begrenzt.

In China liebte man es, große Bäume in einem Alter von sieben bis zehn Jahren zu verpflanzen. Mittlerweile pflanzt man einjährige Bäume,an denen zu 95 % Früchte  mit mehr als 8 g Gewicht reifen. Erziehungssysteme sind einseitiges Schrägstellen oder verschiedene Formen einer Pergola. Durch aktive Kühlung und Verdunkelung wird die Dormanz in den Juni bis September verschoben. Die Kirschen blühen in unserem Herbst und reifen ab Mitte Dezember. Sie werden ab Januar nach Malaysia und Singapur exportiert.

In China selbst wird auch sehr viel übers Internet verkauft.  „Auch da sind uns die Chinesen voraus“, kommentierte Schuster. Für Chinesen gibt es kein langes Abwägen. „Was sie sich in den Kopf gesetzt haben, machen sie auch.“

Von der Präzisionserziehung zur Präzisionstechnologie

Um die Fortschritte in der Süßkirschenforschung und bei den Produktionstechnologien, also letztendlich die Effizienz im Anbau, ging es bei Gregory A. Lang aus den USA. Als kennzeichnend für die Jahre 2000 bis 2010 sah er neue Erziehungssysteme mit Fruchtzonen näher am Boden, die Reduktion von Blütenfrostschäden durch den Einsatz von Windrädern und Überdachungssystemen, die das Platzen und den Krankheitsbefall der Früchteverhindern. 2010 bis 2020 ist das Jahrzehnt der Präzisionserziehungssysteme mit weiterer Verbesserung der Erträge.

Bis 2030 leben wir im Jahrzehnt der Präzisions- und der Robotertechnologien. Voraussetzung dafür sind schmale Erziehungsformen, Ertragszonen nahe am Stamm und ein optimales Blatt-Frucht-Verhältnis. Dazu gehören die Systeme UFO (Upright Fruiting Offshoots, aufrechte Fruchttriebe) mit vier und mehr Fruchtachsen und SSA (Super Smal Axis, superschmale Spindel), das sich auch bei uns immer mehr verbreitet und durch geringe Erträge mit sehr hoher Fruchtqualität gekennzeichnet ist. ESP (Espalier) und TRI (Tri-Axis oder Trident, dreiachsig) sind weitere Systeme aus den USA.  Einfache vertikale oder duale V- oder Y-Obstwände können mechanisch geschnitten oder über Kopf zielgenau mit Pflanzenschutzmitteln behandelt werden. Auch eine elektrostatische Bestäubung wird erprobt und autonome Erntetechniken sind in der Entwicklung.

Kirschen ohne Stiel als Snackprodukt

Matthew Whiting, ebenfalls aus den USA, ging es um weitere Produktionssteigerung. Dafür müssen die Anlagen vom Boden aus bearbeitbar sein. Der Aufbau von V-Systemen ermöglicht eine vollmechanische Ernte. Ein Knackpunkt zur weiteren Vereinfachung ist die Züchtung von Sorten, deren Früchte mit kurzen Fruchtstielen ausgestattet sind. Doch wie kommen stiellose Kirschen bei den Kunden an? Dazu gab es Befragungen mit dem Ergebnis: Die stiellose Frucht wird als Snackfrucht akzeptiert.

Chilenische Sorten mit Exporteignung

Marlene Ayala von der Katholischen Hochschule in Chile berichtete von den Bemühungen um eigene chilenische Süßkirschen-Züchtungen. Zuchtziele sind ein geringes Kältebedürfnis und eine gute Lagerfähigkeit von 30 bis 40 Tagen, um die Früchte nach Asien und Europa in die nördliche Hemisphäre bringen zu können. Sie sollen bevorzugt früh von Oktober bis November oder spät von Januar bis Februar geerntet werden. 2030 wird mit der ersten Sorte gerechnet, 2037 sollen weitere folgen.

Doris Ganninger-Hauck

(Artikel aus GP 02/2024)